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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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pragmatisch, Maya. Wenn ich eine Warze habe, gehe ich zum Hautarzt, und sicherheitshalber binde ich mir ein Haar um den kleinen Finger und pinkele hinter eine Eiche.«
    »Manuel hat behauptet, du bist eine Hexe.«
    »Stimmt. In Vollmondnächten treffe ich mich mit anderen Hexen. Willst du mitkommen? Nächsten Mittwoch ist es wieder so weit. Wir können zusammen nach Castro fahren, übernachten bei meinem Vater, und ich nehme dich mit zu unserem Hexensabbat.«
    »Zum Hexensabbat? Ich habe keinen Besen.«
    »An deiner Stelle würde ich das Angebot annehmen,Maya«, meldete sich Manuel. »So eine Gelegenheit bekommst du nicht zweimal. Mich hat Blanca noch nie eingeladen.«
    »Weil es eine Frauenrunde ist, Manuel. Du würdest am Östrogen ersticken.«
    »Ihr wollt mich auf den Arm nehmen …«, sagte ich.
    »Nein, im Ernst, Gringuita. Aber es ist nicht das, was du denkst, keine Hexerei wie in Manuels Buch, keine Westen aus der Haut von Toten, keine Invunches. Unsere Gruppe ist sehr geschlossen, was sie auch sein muss, damit alle unbefangen reden können. Gäste sind nicht zugelassen, aber bei dir würden wir eine Ausnahme machen.«
    »Warum?«
    »Weil ich denke, du bist ziemlich allein und kannst Freundinnen brauchen.«
    Ein paar Tage später begleitete ich Blanca nach Castro. Wir kamen pünktlich zum Tee beim Millalobo an, zu einer Uhrzeit, die den Chilenen so heilig ist wie den Engländern, von denen sie das übernommen haben. Blanca und ihr Vater folgen einer festgelegten Choreographie, die Komödie geht so: Erst begrüßen sie sich überschwänglich, als hätten sie sich nicht in der Woche zuvor gesehen und jeden Tag miteinander telefoniert, gleich darauf schimpft sie mit ihm, weil er »jeden Tag dicker wird« und »wie lange wollen Sie noch rauchen und trinken, Papa, das bringt Sie noch ins Grab«, worauf er ein paar Bemerkungen über Frauen macht, die ihre grauen Haare nicht färben und sich anziehen wie rumänische Fabrikarbeiterinnen, danach erzählen sie einander den neuesten Klatsch und Tratsch, dann bittet sie ihn um ein weiteres Darlehen, was er mit einem Aufschrei quittiert, sie ruiniere ihn, er werde ausgezogen bis aufs Hemd und müsse bald Konkurs anmelden, woraufhin sie fünf Minuten miteinander feilschen und die Einigung schließlich mit Küssen besiegeln. Inzwischen bin ich bei meiner vierten Tasse Tee.
    Am Abend lieh der Millalobo uns sein Auto, und Blanca fuhr mit mir zu dem Treffen. Wir kamen an der Kathedrale mit den zwei Türmen vorbei, die vollständig mit Metallplatten verkleidet ist, und am Platz, wo auf jeder Parkbank ein Pärchen saß, ließen die Altstadt hinter uns, dann die neueren Viertel mit den hässlichen Betonhäusern und folgten einem kurvigen und einsamen Sträßchen. Nach kurzer Fahrt bog Blanca in einen Hof ein, wo bereits andere Autos parkten, und im Schein ihrer Taschenlampe gingen wir über einen kaum sichtbaren Pfad zum Haus. Drinnen empfing uns eine Gruppe von zehn jungen Frauen, im selben folkloristischen Stil gekleidet, den auch meine Nini pflegt, lange Blusen und Röcke oder weite Baumwollhosen und Ponchos darüber, denn es war kühl. Sie wussten, dass ich kommen würde, und begrüßten mich mit der spontanen Herzlichkeit der Chilenen, die mich am Anfang, als ich hier neu war, überrumpelte, die ich inzwischen jedoch erwarte. Das Haus war ohne Schnickschnack eingerichtet, auf dem Sofa lag ein alter Hund und auf dem Boden verstreut Spielzeug. Die Gastgeberin erklärte mir, in Vollmondnächten schliefen ihre Kinder bei der Großmutter und ihr Mann nutze die Gelegenheit für einen Pokerabend mit Freunden.
    Durch die Küche gingen wir hinaus in einen großen, von Petroleumfackeln beleuchteten Hof hinter dem Haus, wo Gemüse in Kästen wuchs, ein Hühnerstall, zwei Schaukeln und ein großes Campingzelt standen, und etwas, das auf den ersten Blick wie ein mit Gewebeplane abgedeckter Erdhaufen aussah, jedoch stieg aus der Mitte eine dünne Rauchsäule auf. »Das ist unsere Ruca«, sagte die Hausherrin. Die Ruca war rund wie ein Iglu oder eine indianische Kiva, nur das Dach ragte über die Erdoberfläche, der Rest lag darunter. Gebaut hatten sie die Ehemänner und Gefährten der Frauen, die manchmal an den Treffen teilnahmen, aber dann versammelten sich alle im Zelt, weil die Ruca ein heiliger Ort nur für die Frauen war. Ich tat es den anderengleich und legte meine Kleider ab; einige zogen sich ganz aus, andere ließen den Slip an. Blanca entzündete ein Büschel Salbei, um uns mit

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