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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Straße, wo man in einem flachen Betongebäude hinter einer Reihe türkisfarbener Stahltüren Lagerräume mieten konnte. Leeman musste schon einmal hier gewesen sein, denn er fuhr ohne Zögern vor eine der Türen, befahl mir, im Wagen zu bleiben, und machte sich umständlich an zwei schweren Kombinationsschlössern zu schaffen, fluchend, weil er das Bild vor seinen Augen nicht mehr scharf stellen konnte und seine Hände schon seit geraumer Zeit heftig zitterten. Als er die Tür endlich geöffnet hatte, winkte er mich heran.
    Die Sonne schien in den kleinen Raum, in dem lediglich zwei große Holzkisten standen. Aus dem Kofferraum des Mustang holte Leeman eine schwarze Sporttasche mit dem Aufdruck »El Paso TX«, und wir betraten den Lagerraum, der vor Hitze kochte. Unwillkürlich durchzuckte mich der Gedanke, Leeman könnte mich hier lebendig begraben. Er packte mich am Arm und sah mich scharf an.
    »Weißt du noch, was ich dir gesagt habe? Dass wir Großes zusammen unternehmen würden?«
    »Ja …«
    »Jetzt ist es so weit. Lass mich bloß nicht hängen.« Er ließ mich los.
    Ich nickte, war erschrocken über seinen drohenden Ton und darüber, allein mit ihm in diesem Backofen zu sein, ohne eine Menschenseele weit und breit. Leeman ging in die Hocke, öffnete die Tasche und zeigte mir den Inhalt. Ich begriff nicht sofort, dass die grünen Packen Geldscheinbündel waren.
    »Das Geld ist nicht geklaut, und keiner sucht danach«, sagte Leeman. »Das ist nur eine Probe, bald gibt es vielmehr davon. Dir ist klar, dass das ein wahnsinniger Vertrauensbeweis ist? Du bist der einzige anständige Mensch, den ich kenne, abgesehen von meinem Bruder. Von jetzt an sind wir Partner, du und ich.«
    »Was soll ich machen?«, brachte ich mühsam heraus.
    »Fürs Erste nichts, aber wenn ich es dir sage oder wenn mir etwas zustößt, dann rufst du sofort Adam an und sagst ihm, wo seine El-Paso-TX-Tasche ist, hast du das verstanden? Wiederhol, was ich gesagt habe.«
    »Ich soll deinen Bruder anrufen und ihm sagen, wo seine Tasche ist.«
    »Seine El-Paso-TX-Tasche, merk dir das. Irgendwelche Fragen?«
    »Wie kriegt dein Bruder die Schlösser auf?«
    »Das lässt du seine Sorge sein!«, schnauzte Leeman mich an, und ich zuckte zurück, weil ich dachte, er würde mich schlagen, aber dann beruhigte er sich, schloss die Tasche, schob sie auf eine der Holzkisten, und wir gingen hinaus.
    Die Ereignisse überschlugen sich von dem Tag an, als ich mit Brandon Leeman diese Tasche in den Lagerraum in Beatty brachte, und später fiel es mir schwer, alles in meinem Kopf zu sortieren, weil manches gleichzeitig geschah und ich bei anderem nicht dabei war, sondern erst hinterher davon erfuhr. Zwei Tage nach dieser Fahrt befahl mir Leeman, in einen Acura zu steigen, der gerade eine frische Lackierung und neue Nummernschilder bekommen hatte, und hinter ihm herzufahren. Ich folgte dem Mustang auf der Route 95 eine Dreiviertelstunde in sengender Hitze durch eine flirrende, spiegelnde Landschaft bis nach Boulder City, das für Brandon Leeman sonst keine Rolle spielte, weil es zu den beiden Städten in Nevada gehört, in denen das Glückspiel verboten ist. Wir hielten an einer Tankstelle und warteten in der Mittagsglut.
    Nach zwanzig Minuten tauchte ein Auto mit zwei Männern auf, Brandon gab ihnen die Schlüssel für den Mustang, nahm eine mittelgroße Reisetasche dafür in Empfang und stieg zu mir in den Acura. Der Mustang und das andere Auto fuhren in Richtung Süden davon, und wir nahmen die Straße, auf der wir gekommen waren. Wir fuhren an Las Vegas vorbei direkt weiter zu dem Lagerraum in Beatty, wo Brandon Leeman wieder die Schlösser öffnete, ohne mich die Kombination sehen zu lassen. Er stellte die Tasche neben die andere und schloss die Tür.
    »Eine halbe Million Dollar, Laura!« Er rieb sich frohlockend die Hände.
    »Mir gefällt das nicht …«, sagte ich leise und wich vor ihm zurück.
    »Was gefällt dir nicht, Miststück?«
    Blass geworden, packte Leeman mich an den Armen, aber ich stieß ihn wimmernd weg. Dieser kranke Hänfling, den ich mühelos hätte zertreten können, jagte mir eine Heidenangst ein, er war zu allem fähig.
    »Lass mich.«
    »Überleg doch, Mädchen«, sagte er beschwichtigend. »Willst du weiter so ein beschissenes Leben führen? Mein Bruder und ich haben alles klargemacht, wir gehen weg aus diesem Drecksland, und du kommst mit.«
    »Wohin?«
    »Nach Brasilien. Noch zwei Wochen, dann liegen wir am Strand unter Palmen.

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