Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
meinem rauschhaften Gefühl von Freiheit bei. Was auch dadurch nicht getrübt wurde, dass wir an mehreren Bundesgefängnissen vorbeikamen. Die schlimmste Sommerhitze war eigentlich ausgestanden, aber es wurde ein heißer Tag, und bald brannte uns die Sonne zu stark, so dass wir das Verdeck schlossen und die Klimaanlage anschalteten.
    »Du weißt, dass Joe Martin und der Chinese mich beklauen, oder?«, wollte Leeman wissen.
    Ich sagte lieber nichts. Wenn er das Thema anschnitt, dann bestimmt nicht ohne Grund; stritt ich es ab, lebte ich hinterm Mond, aber wenn ich es zugab, kam das einem Verrat gleich, weil ich ihn nicht gewarnt hatte.
    »Früher oder später musste es so kommen«, redete Leeman weiter. »Ich kann mich auf keinen verlassen.«
    »Auf mich schon«, nuschelte ich. Mir war, als schlidderte ich über Öl.
    »Das hoffe ich. Joe und der Chinese sind Vollidioten. Sie wären bei keinem besser dran als bei mir, ich bin sehr großzügig zu ihnen gewesen.«
    »Was willst du tun?«
    »Sie ersetzen, ehe sie mich ersetzen.«
    Schweigend fuhren wir etliche Kilometer weiter, aber als ich schon dachte, das sei es gewesen mit den Vertraulichkeiten, fing er noch einmal an.
    »Einer von den Polizisten will mehr Geld. Wenn ich es ihm gebe, will er bald noch mehr. Was meinst du dazu, Laura?«
    »Davon verstehe ich nichts, ich …«
    Wieder fuhren wir etliche Kilometer ohne ein Wort. Weil er langsam unruhig wurde, bog Leeman vom Highway ab, um eine geschützte Stelle zu suchen, aber ringsum war alles Ödnis, trockene Erde, Steine, kümmerliches Gestrüpp und vereinzelte, dürre Gräser. Also parkten wir für alle sichtbar am Straßenrand, stiegen aus, hockten uns hinter die offene Wagentür, und ich hielt das Feuerzeug, über dem er seine Mischung kochte. Im Nu war er fertig. Danach rauchten wir eine Bong und freuten uns, dass alles so einfach war; hätte uns eine Streife gefilzt, sie hätten eine nicht registrierte Waffe, Kokain, Heroin, Gras, Demerol und noch andere lose Pillen in einem Tütchen gefunden. »Die blöden Bullen würden noch was anderes finden, was wir ihnen nicht erklären könnten«, sagte Brandon Leeman geheimnistuerisch und lachte glucksend. Er war so high, dass ich ans Steuer musste, obwohl ich kaum je gefahren war und das Gras mir den Blick vernebelte.
    Wir kamen nach Beatty, ein kleiner Ort, der um diese Mittagsstunde aussah wie unbewohnt, und hielten zumEssen an einer mexikanischen Raststätte mit Cowboys mit Hüten und Lassos auf dem Werbeschild, die sich innen als verqualmte Spielhölle entpuppte. Leeman bestellte zwei Margaritas, irgendwas von der Speisekarte für uns beide und die teuerste Flasche Rotwein, die sie hatten. Ich zwang mich zu essen, während Leeman mit der Gabel auf seinem Teller herumstocherte und Furchen durch sein Kartoffelpüree zog.
    »Weißt du, was ich mit Joe und dem Chinesen mache? Wenn ich dem Bullen sowieso geben muss, was er verlangt, kann er mir ruhig einen kleinen Gefallen tun.«
    »Verstehe ich nicht.«
    »Er will seinen Anteil aufbessern, ich mich von den beiden trennen, das kann er für mich erledigen, ohne dass er mich mit reinzieht.«
    Jetzt verstand ich, und die Mädchen fielen mir wieder ein, die vor mir für Leeman gearbeitet hatten und von denen er sich auch hatte »trennen« müssen. Ich sah erschreckend deutlich den klaffenden Abgrund vor mir und dachte wieder, ich müsste abhauen, aber da war diese Lähmung, wie zähe Melasse, in der ich feststeckte, bewegungsunfähig, ohne eigenen Willen. Ich kann nicht denken, Sägespäne im Kopf, die vielen Pillen, Marihuana, Wodka, was habe ich heute genommen, ich muss runterkommen von dem Zeug, sagte ich mir im Stillen und trank mein zweites Glas Wein, nachdem ich die Margarita geleert hatte.
    Brandon Leeman hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen halb geschlossen. Das Licht traf ihn von der Seite, betonte seine kantigen Wangenknochen, die eingefallenen Wangen, die grünlichen Augenringe. Er sah aus wie seine eigene Leiche. »Lass uns heimfahren«, sagte ich. Mir drehte sich alles. »Ich muss hier noch was erledigen. Bestell mir einen Kaffee«, sagte er.
    Leeman bezahlte bar wie immer, und wir traten aus der klimatisierten Kühle in die gnadenlose Hitze von Beatty, das Leeman als ein Kaff bezeichnete, in dem radioaktive Abfälle lagerten, bloß noch bewohnt wegen der Touristen, die unterwegs ins zehn Minuten entfernte Death Valley waren. Er bog mehrmals ab, bis zu einer

Weitere Kostenlose Bücher