mayday mayday ... eastern wings 610
Boden. Er hatte ihm den ganzen Tisch in einer einzigen wilden Kraftanstrengung an den Kopf gerammt.
Ein Schuß knallte. Er ging sofort zu Boden.
Er schleuderte den Tisch von sich und hatte schon beide Hände an Enslins Hals, warf ihn gegen die Tür und stieß blitzschnell mit dem Fuß die Pistole in eine Ecke. Er drückte ihm mit Daumen und Zeigefinger die Drosselader zusammen, so wie er das vor Jahren in Peru gelernt hatte. Enslin sackte zusammen. Brückner riß die Pistole an sich, im letzten Moment, denn da war sie, Selima, die Tochter der Wüste, da war sie mit krallenartig gebogenen Nägeln.
Er stieß ihr mit dem linken Fuß die Beine weg, und sie fiel um.
Es war beeindruckend. Er staunte über sich selbst. Alles war in Blitzesschnelle abgelaufen. Alles hatte einwandfreie Resultate gebracht. Enslin war jetzt sehr blaß geworden. Sein Atem ging röchelnd. Er packte ihn trotzdem erneut am Hals. Er sah Selima an. Sie kauerte nicht weit von ihm, hatte beide Hände in ihren Haaren vergraben und wimmerte.
Er spürte Enslins Puls schwächer werden. Er schien an der Grenze der Bewußtlosigkeit. Er wollte mit ihm nicht noch mehr Probleme. Er setzte sein Knie gegen Selimas zarten Nacken, drückte sie noch weiter zusammen und riß die Vorhangschnur von der Wand. Es kam eine ganze Stoffbahn mit. Na und? Er drückte auch Enslin zu Boden und fesselte ihn.
Selima begann zu schreien.
Die Schreie brachten sein Programm durcheinander. Er legte ihr die Hand vor den Mund, und sie versuchte, ihn in den Finger zu beißen. Es gelang ihr nicht. Er stieß sie vor sich her ins Badezimmer, riß die Rolle Leukoplast, die er zuvor entdeckt hatte, aus dem Schrank, ließ sie drei, vier Schreie ausstoßen, bis er das verdammte Band von der Rolle hatte und klebte es ihr dann quer über den Mund. Er schaffte es auch noch, ihr eine solide Fessel an Händen und Füßen anzulegen.
Nun war es still.
Er stieß sie in ihren Sessel zurück und griff nach der Pistole.
Alles reichlich sonderbar, was hier abläuft, fand er. Etwa wie in einem dieser Hollywood-Horrorschinken, wo der böse Mann ins Haus einbricht, um die ganze Familie in seine Gewalt zu bringen. Er war der böse Mann. Und als der böse Mann war er noch immer dabei, seine Arbeit zu Ende zu bringen. Nur, daß das Gefühl stärker wurde, in den falschen Film geraten zu sein.
Ihre Augen waren wie zwei schwarze, funkelnde Sterne. Es waren wirklich schöne Augen. Er hatte sein Problem gelöst. Mit Max Enslin, der da noch immer ziemlich flach atmend auf dem Boden lag, würde es keine Schwierigkeiten geben. Nur: Wie machte er ihn wieder fit? Er hatte noch einiges mit ihm vor. Und nichts davon war angenehm.
Dies waren die Tage des Grappas …
Er hatte eine Flasche davon in Enslins Eisschrank gefunden. Gestern noch, in Peter Berniers ›Kiste‹, hatte das traditionsreiche Trestergesöff ihm selbst auf die Beine geholfen, nun brachte es Enslin in die Wirklichkeit zurück. Die war nicht sehr schön für ihn.
Er hatte ihn auf das Sofa geschleift.
Ein Faden von Grappa lief ihm noch aus den Mundwinkeln über das Kinn zum Hals. Seine Augen waren Schlitze. Was aus diesen Schlitzen hervorbrach war Haß und Angst. Die Angst der in die Ecke getriebenen Ratte … Nein, er sah nicht sehr gut aus, und Brückner hatte kein Mitleid mit ihm. Er mußte weiterkommen, brauchte Fortschritte, koste es, was es wolle!
Er blickte zur Ecke hinüber. Selima blieb das, was sie schon zuvor gewesen war: ein mundtot gemachter Zeuge. Mit all dem Leukoplast über ihren Lippen wirkte ihr Gesicht nicht mehr so dekorativ wie zuvor. Sollte sie ruhig anhören, was kam. Vielleicht war das, psychologisch gesehen, ganz gut.
»Enslin! Entspannen Sie sich mal. Wahrscheinlich werden Sie Entspannung noch brauchen können. Und in der Zwischenzeit unterbreite ich Ihnen eine hübsche kleine Theorie, ja?«
Er schniefte nur, begann zu husten und wischte sich mit den gekreuzten Handrücken den Speichel von den Lippen.
»Sie sind wahnsinnig.«
»Richtig, damit sollten Sie sich jetzt trotzdem nicht aufhalten, Enslin. Hören Sie lieber zu. Die Geschichte beginnt damit, daß ein Vierunddreißigjähriger stellvertretender Wartungschef bei der Crossair wird. Nennen wir ihn mal Max, ja? Nun ist das vielleicht keine atemberaubende Karriere, aber doch ein gutbezahlter, und sehr verantwortungsvoller Job. Max' Chef zum Beispiel, der Herr Baumann, ist schließlich auch ein guter Ingenieur. Und zufrieden. Max aber reicht das alles nicht. Er
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