mayday mayday ... eastern wings 610
Ich weiß da ein brasilianisches Steakhouse gleich um die Ecke. Da kriegst du die besten Steaks der Welt. Na, los schon! Oder willst du den letzten Rest Achtung in meinen Augen verlieren?«
Sie verließen das Gelände, und Brückner beobachtete die Wachen am Eingang. Der eine Wächter hing wie ein Cowboy mit einer über die Augen gezogenen, khakifarbenen Schirmmütze auf seinem Stuhl und schien zu pennen. Der andere las eine Zeitung. Bruno winkte fröhlich. Keiner der beiden beachtete ihn.
»Da siehst du's!« sagte er.
Ja, da sah er es. »Wie ist das? Hast du mit Fernandez nochmals über die Global-Wing-Sache gesprochen?«
Bruno Konietzka ließ den Wagen ohne Antwort die Straße hinabgleiten, schaltete das Radio ein, schaltete wieder aus, zündete sich eine Zigarre an, und gerade, als er auch das hinter sich gebracht hatte, erhob sich an der rechten Seite ein langes, blaßblaues, einstöckiges, holzverkleidetes Gebäude mit knallroter Aufschrift: ›Pele‹.
Sie stiegen aus.
Der Himmel war weißlich-grau, und die Feuchtigkeit bildete Schweißrinnsale auf seinem Rücken. Was sollte es? Er hatte sich daran gewöhnt. Dschungelklima, Vietnamklima, Indonesienklima. Er kannte es doch. Woran er sich nicht gewöhnen konnte und sich wahrscheinlich nie gewöhnen würde, war die Art von Pilotenhumor, die Bruno ihm gerade geboten hatte.
Zu den Steak-Sandwiches gab es Hot-Sauce, so scharf, daß die Kopfhaut brannte. Aber sein Magen verhielt sich ruhig, als er alles runterzwängte.
»Sanchez«, sagte er wieder, wischte sich den Mund sauber und nahm einen Schluck Mineralwasser, »Onofré Sanchez. Was ist mit ihm? Hast du mit ihm gesprochen?«
»Onofré? Da hätt' ich was für dich. Aber nicht jetzt. Zunächst eine andere Frage. Wie lange willst du noch in Miami bleiben?«
»Schwer zu sagen. Bis ich fertig bin.«
»Und das ›Dupont Palace‹?«
»Muß ich räumen. Wird viel zu teuer.«
»Genau, das ist es ja. Und zu mir und Rebekka willst du auch nicht ziehen?«
»Komm, Bruno. Das ist unheimlich nett von dir, wirklich. Aber ich würde euch doch nur auf die Nerven gehen.«
»Platz haben wir. Und Rebekka hätte überhaupt nichts dagegen. Sie ist wirklich ein feines Mädchen. Nur – es ist ein bißchen laut an unserer Ecke.«
»Na, siehst du. Ich dachte an Palm Beach.«
»Was willst du denn dort? Eine Witwe aus Atlanta aufreißen? Oder eine aus Mülheim an der Ruhr? Ich weiß was anderes für dich. Und das ist nicht nur besser und billiger, da hab' ich dich auch in meiner Nähe …«
Als Brückner im ›Dupont Palace‹ die Rechnung bestellte, bekam er noch sechzig Dollar heraus. Aus irgendeinem nicht so ganz ersichtlichen Grund erfüllte ihn dies mit einer Art Hochgefühl. Er lud Bruno sofort zu einem Drink in die Bar ein.
»Sanchez? Du sagtest, du hättest etwas von ihm erfahren.«
»Hab' ich. Aber alles der Reihe nach, Junge.«
Sie fuhren bis zum Fairchild-Park und bogen nach Westen. Und hier begann eins der schönsten Wohnviertel von Miami: Coral Gables. Die Straßen waren schattig, über den Grünflächen vor den Villen drehten sich die Rasensprenger, und alle Bäume schienen von fixen Gärtnerbrigaden gepflegt und beschnitten. – Hier las Brückner: ›Córdoba Street‹.
Bruno hielt an. Das Haus stand mit der Frontseite zu ihnen. Es war mit rosagestrichenem Holz verkleidet und hatte hübsche weiße Sprossenfenster. Es ähnelte einem Haus aus einem Spielzeugkatalog. Aber das taten hier in Coral Gables die meisten Häuser.
Bruno stieg aus, ging auf die Gartentür zu und holte einen Schlüssel aus der Tasche.
›Arthur Murray‹ stand in Messing auf dem Backsteinpfeiler.
»Wen willst du denn hier besuchen?«
»Dich, morgen zum Beispiel, kannst mich ja einladen. Arthur ist ein alter Freund von mir, ein Makler aus New York. Ich halte ihm das Haus in Schuß, das heißt, Johnny tut das, Rebekkas Bruder. Murray kommt vielleicht ein- oder zweimal im Jahr. Und das immer März oder April. Kennst doch diese Immobilienhaie, die haben nie Zeit. Weder für sich noch für andere, nur fürs Geld. Aber er ist ein netter Kerl. Und er meinte, wenn ich mal irgend jemand aus der Familie unterbringen müsse, dann stehe das Haus zur Verfügung!«
»Aha?«
»Ja, aha. Schließlich, verwandt sind wir doch?« grinste Bruno: »Irgendwie.«
»Irgendwie«, bestätigte Brückner, »über ›Betty‹.«
Sie setzten die Koffer ab, lüfteten die Zimmer und besahen sich den Garten. Auf einem künstlichen Tuffsteingebirge stand eine
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