mayday mayday ... eastern wings 610
in Miami?«
»Ja. Hier in Miami.«
»Moment mal …«
Turnbull ging zum Schreibtisch, öffnete den Laptop, der dort stand, und tippte eine Weile darauf herum.
Dann schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid. Ich hab' wirklich so ziemlich die ganze Szene gespeichert. Ich habe meine eigene Liste noch durch eine Liste vom FBI komplettiert. Aber ›Global Wings‹, nein, das hab' ich nicht …«
Brückner sah die Erde auf sich zustürzen. Die Erde? Gerade waren es noch die Straßen und Häuser um den Sportflugplatz Opa-Locka gewesen, klein und fern, Gebäudekarrees. Nun konnte er schon Autodächer und die Transformatorenkästen der Platzbefeuerung erkennen. Er wußte, was jetzt kommen würde. Ob er es wollte oder nicht, die Hände zogen sich zu Fäusten zusammen. Dreißig Meter über dem Bauplatz neben dem Airport zog Bruno die ›Moth‹ wieder hoch, ließ den Motor in einem nicht enden wollenden Steigflug kreischen, bis der kleine, rote Doppeldecker nicht mehr wollte, über die linke Fläche abkippte, in eine Spirale geriet, aus der ihn Konietzka mit einem Linksturn elegant befreite, um erneut mit einer Serie von Loopings zu beginnen.
Brückner hatte endgültig genug …
Brüllen half nichts. Der uralte Sternmotor machte einen Höllenlärm. Und Bordverständigung an Bord einer Kunstflugmaschine – ja wieso denn?
Er schlug Bruno die Hand auf die Schulter. Der drehte noch nicht einmal den Kopf. Zusammengekrümmt, hingegeben, hing er über dem Knüppel, und was er jetzt einläutete, drohte eine neue Rolle zu werden. Diesmal nach rechts.
Brückner versuchte es mit der Faust, nicht auf die Schulter, in den Rücken. Und dann zeigte seine flach ausgestreckte Hand, wo ihm sein Magen stand: direkt unterm Kinn.
Bruno schüttelte den Piratenschädel. Er war von einer Lindberg-Fliegerhaube umschlossen, sein Oberkörper steckte in einer Messerschmidt-Pilotenjacke aus dem letzten Weltkrieg. Er drehte sich um, zeigte sein Grinsen, bedauernd oder empört – und hatte dann doch ein Einsehen. Noch einmal brachte er die ›Moth‹ in Sturzflug, ließ sie dann so flach über die Hangars der Sportflugzeuge hinwegzischen, daß man jede einzelne Rille der Wellblechdächer zählen konnte, und setzte sanft auf.
»Was ist denn, Junge?«
»Nichts«, fluchte Brückner. »Überhaupt nichts, du verdammter Knallkopf! Was wolltest du mir gerade beweisen? Daß du's noch zum Kunstflug-Champion bringen wirst?«
Er kletterte aus der Maschine. Gott sei Dank, er stand. Aber was half das? Der Boden drehte sich.
Neben die Hangars hatten sie ein Clublokal gebaut. Drei verwegen aussehende Typen flüsterten in einer Ecke. An der Theke hing ein einsamer Mechaniker und träumte sich über seinem Bier irgendwohin.
Brückner bestellte Rum, änderte aber dann die Order in einen Cuba libre. Bruno blieb bei seinem ewigen San Miguel.
»Ich wollte dir überhaupt nichts beweisen, Paul. Höchstens vielleicht, was manche Leute für geschickte Händchen haben. Und was aus einer vierzigjährigen ›Moth‹ noch alles rauszuholen ist. An der Kiste sind höchstens zwanzig Prozent Original. Alles andere wurde ausgewechselt und zurechtgefeilt. Bis auf die Spanten, bis auf die letzten Verspannungen. Und vom Motor will ich schon gar nicht anfangen …«
»Na wunderbar.«
Brückner stieß der Magensaft hoch.
»Das ist es halt.« Bruno Konietzka starrte ihn aufmerksam an. »Das ist der Jammer mit euch: Früher seid ihr mal Flieger gewesen. Und jetzt? Was passiert denn in euren elektronikverwanzten Cockpits? Ihr degeneriert. Jawohl! Ihr seid keine Piloten mehr. Dampferkapitäne seid ihr! Mensch, wenn ich daran denke, was du damals mit der alten ›Betty‹ so alles gebracht hast.«
»Red keinen Quatsch!«
»Der kleine Paul, das Paulchen, was hat er alles gebracht! Weißt du noch, die Landung, die du damals in Puno, am See, hingelegt hast? Die arme alte ›Betty‹ … Drei Tage brauchten wir, um sie aus dem Zuckerrohrfeld wieder rauszuholen. Und dann das Grundstück mit der Hochspannungsleitung. Du bist der einzige, von dem ich je gehört habe, der mit 'ner vollbesetzten DC-3 unter einer Hochspannungsleitung durchpfeift. Das solltest du dir noch patentieren lassen.«
»Hochspannungsleitung?« Der Mechaniker am Bar-Ende hatte plötzlich aufmerksame Augen bekommen.
»Hochspannungsleitung«, bestätigte Konietzka. »Und du trink schön weiter, ich hab' mit dem da zu reden. Überhaupt, was heißt reden, was wir brauchen, ist was zu essen.«
»Nein.«
»Dann ich.
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