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Mayday

Mayday

Titel: Mayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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genug Stewardess gewesen, um zu wissen, wie man grapschenden Händen entgeht.« Barbara merkte, wie verkrampft das klang, und fügte rasch hinzu: »Sie beachten mich kaum. Ich bin in ein paar Minuten wieder oben.« Sie hängte ein, trat in den Gang hinaus, blieb mit dem Rücken an die Sanitärzelle gelehnt stehen und blickte nach vorn. Dann bewegte sie den Kopf, bis sie nach hinten zum Heck sah.
    Die dünnen Trennwände im Inneren der Straton 797 waren bei dem schlagartigen Druckabfall herausgerissen worden, so daß der 60 Meter lange Flugzeugrumpf nur noch durch die drei Küchen- und Sanitärblocks unterteilt wurde. Diese drei quadratischen Zellen aus blauem Plastikmaterial ragten auf der Mittelachse der Kabine zwischen Boden und Decke auf – eine im Heck, eine in der Mitte, wo Yoshiro stand, und eine in der Ersten Klasse, die ihr die Sicht auf die Treppe versperrte.
    Überall hingen Sauerstoffmasken, aus ihren Führungen gerissene Sitze und abgerissene Teile der Wand- und Deckenverkleidung. In 20 Metern Entfernung – etwa auf halber Strecke zwischen der mittleren Station und der Ersten Klasse – waren die beiden Bombenlöcher zu erkennen – falls es tatsächlich welche waren.
    Barbara Yoshiro studierte die beiden möglichen Fluchtwege, die sich ihr boten. Sie spielte sekundenlang mit der Idee, einfach zu bleiben, wo sie war, kam aber rasch wieder davon ab. Die Anziehungskraft des Cockpits war zu groß.
    Keine der beiden Routen war ideal. Der linke Gang, den Yoshiro zuvor benützt hatte, war jetzt voller drängelnder und schiebender Passagiere. Der rechte Gang war im Vergleich dazu fast menschenleer, aber dort lagen erheblich mehr Wrack-teile. Außerdem führte er sehr nah an dem größeren der beiden Löcher im Rumpf vorbei. Selbst von ihrem Platz aus konnte sie die Tragflächenvorderkante und den blauen Pazifik sehen. Am besten benützte sie zuerst den rechten Gang und wechselte dann nach links über, bevor sie die Engstelle zwischen denLöchern erreichte. Während sie diese Überlegungen anstellte, fiel ihr nicht auf, daß ein in ihrer Nähe im Gang stehender junger Mann sie unverwandt beobachtete.
    Barbara holte tief Luft und setzte sich zögernd in Bewegung. Sie sah sich nach allen Seiten um, während sie langsam weiterging. Etwa 100 Männer und Frauen saßen noch auf ihren Plätzen und blockierten die Übergänge zwischen dem linken und dem rechten Gang. Ungefähr gleich viele Fluggäste standen einzeln oder in Gruppen in den beiden Gängen, die dadurch praktisch unpassierbar wurden. Manche irrten ziellos durch die Gänge, stießen mit anderen Passagieren zusammen, fielen in Sitze, rappelten sich auf und schwankten weiter. Alle schwatzten, stöhnten oder jammerten durcheinander. Wenn sie still gewesen wären, hätte man sie vielleicht ignorieren können.
    Barbara merkte, daß sie sich nicht nur durch ihre Gesichter und ihre tierischen Laute, sondern auch durch ihre Kleidung verrieten. Ihre eleganten Anzüge und Kleider waren zerfetzt; viele Passagiere waren halbnackt.
    Yoshiro sah, daß einige Passagiere durch die Explosion verletzt waren. Nun wurde ihr klar, daß sie diese Menschen nicht als einzelne Verletzte, sondern als großes amorphes Wesen von grauer Farbe und mit vielen schwarzen Augen betrachtet hatte. Sie sah jetzt eine Frau mit weit eingerissenem Ohr und einen Mann, dem zwei Finger der rechten Hand fehlten. Ein kleines Mädchen berührte eine tiefe Fleischwunde an seinem Oberschenkel. Es weinte dabei. Yoshiro erkannte, daß diese Menschen nur mehr für Schmerz empfindlich waren. Aber warum spürten sie ihn noch, wenn sie nichts anderes mehr empfanden? Weshalb war ihr Schmerzgefühl nicht ebenfalls abgestorben, um ihnen diese Agonie zu ersparen?
    Vor ihr im Gang lag ein zusammengekrümmter Toter: Jeff Price, der Steward. Wo waren ihre Kolleginnen? Barbara hielt nach der vertrauten hellblauen Uniform Ausschau.
    In dem schräg in die Kabine fallenden Sonnenschein kniete eine bewegungslose Gestalt, in der sie eine ihrer Kolleginnen erkannte. Die junge Frau kehrte ihr zwar den Rücken zu, aber Yoshiro sah an dem langen schwarzen Haar, daß dort Mary Santoro kniete. Die Stewardess schien nichts um sich herum wahrzunehmen: Sie achtete weder auf die Menschen, die über sie hinwegstolperten, noch auf den Wind, der ihr die Haare ins Gesicht wehte. Barbara erinnerte sich, daß Mary angerufen und gefragt hatte, ob sie unten in der Küche helfen solle. Aber Sharon hatte geantwortet: Nein, vielen Dank, Mary.

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