McCaffrey, Anne & Scarborough, Elizabeth - Petaybee 02
er ein Reißen, und eine kleine Hand griff von hinten um ihn und hielt ihm einen sauberen weißen Streifen entgegen. Er wandte den Kopf über die Schulter und sah, wie das Mädchen emsig damit beschäftigt war, irgend etwas zu zerreißen, das entweder ihr Hochzeitskleid oder, wahrscheinlicher, ihr Nachthemd gewesen sein mußte. Vielleicht auch beides.
»Hättest du vielleicht noch ein paar Streifen davon übrig, Kleines?«
fragte er.
»Du kannst alle haben, Mensch-Ungeheuer.« Da sie schon gemeinsam fliehen würden, hielt er es für vertretbar, das Risiko einzugehen, ihr nun seinen Namen zu nennen. »Ich heiße Sean Shongili, Kleines.«
Als er die Wunde in dem warmen Wasser ausgewaschen hatte, faltete er die ersten Streifen zu zwei dicken Polstern zusammen, wobei er die ganze Zeit die Ohren gespitzt hielt und die wütende Empörung der enttäuschten Ungeheuerjäger verfolgte. Dann wickelte er noch weitere Streifen um sein Bein, bis der Verband fest saß.
Plötzlich änderte der Lärm seine Richtung und kam auf sie zu.
»Oh! Sie werden überall nach dir suchen. Deshalb hättest du auch zu Coaxtl fliehen sollen«, rief sie.
»Zieh dich aus und steig in die Wanne, Kind«, befahl Sean, »und wirf deine Sachen über den Schemel dort an der Wand. Ich kann halb hinein-, halb hinauskriechen, und außerdem werden sie mich ja wohl kaum hier erwarten, oder?«
An Mut fehlte es dem Kind nicht, und so legten sie ihre Kleidung so aus, daß die Falten Schatten warfen, in denen Sean sich verbergen konnte. Er bezweifelte, daß man ihn dort finden würde, wenn nicht gerade jemand mit einer sehr hellen Laterne das ganze Zelt ausleuchtete.
Das Aufkreischen des Kindes war ihm Warnung genug, und so kauerte er sich noch enger zusammen, als die Decke über der Zeltöffnung beiseite geworfen wurde und mehrere Leute eintraten.
»Nun, allzu weit kann das Untier mit dieser Wunde ja nicht gekommen sein«, sagte eine Stimme, die Sean sofort als Matthew Luzons erkannte. Der Schock, diese Stimme in dieser Umgebung zu hören, ließ ihn erstarren.
»Es muß aber Hilfe gehabt haben«, brüllte eine zornige zweite Stimme. »Es kann das Leder nicht einfach durchgenagt haben…«
»Ah, aber Bruder Heulender Hirte! Diese Ungeheuer sind zu Dingen fähig, die bloße Sterbliche sich gar nicht vorstellen können.«
Aha, Matthew hat also einen Seelenverwandten gefunden, dachte Sean, und zwar genau von jener Sorte, wie er ihn am besten gegen uns ins Feld führen kann.
Ziegendung setzte ihr Kreischen fort, ein Geräusch, das gelegentlich zu einem Gurgeln wurde, während sie versuchte, soviel von ihrem Körper wie möglich im Wasser zu verbergen.
»Sei still. Du bist nicht in Gefahr, Ziegendung. Warte hier. Das Ungeheuer ist entkommen. Du rührst dich nicht vom Fleck, bis Ascencion dich holen kommt. Hast du mich gehört?«
»Ich höre und gehorche«, sagte das Kind würgend. Sean hörte, wie die Decke wieder über die Zeltöffnung gelegt wurde; lärmend verließen die Eindringlinge das Zelt und zogen in eine andere Richtung davon.
Bevor Sean auch nur einen entsprechenden Vorschlag hatte machen können, war das Kind schon aus der Wanne gesprungen und griff nach einem Lumpen von einem Handtuch. Diskret hatte das Mädchen ihm den Rücken zugekehrt, was ihm einen noch besseren Blick auf die Prellungen und Striemen gewährte, die sie von den Schultern bis zu den Gesäßbacken zeichneten, ja, sogar bis zu den Waden ihrer winzigen Beine hinunter.
Er reichte ihr die Kleidung, und mit erstaunlicher Schnelligkeit war sie bald angekleidet und hatte die Füße in die Stiefel geschoben.
Sie nahmen denselben Ausgang wie der Hirte und Luzon, wobei Ziegendung ihre Hand vertrauensvoll in Seans legte. Geduckt liefen sie davon, hielten sich möglichst im Schatten, rannten vorbei an den Zelten, welche die neue Siedlung im Tal der Tränen bildeten, und flohen hinaus in die Nacht.
Johnny erklärte Lonciana so höflich wie möglich, daß sie die anderen nicht würde begleiten können, um La Pobrecita zu befreien.
»Dann muß Buneka mitgehen, denn sie kennt sie«, entschied Lonciana.
»Mich lassen Sie jedenfalls nicht zurück, und wenn ich mich aufs Dach hocken muß«, warf Diego entschieden ein. »Wenn Bunny geht, komme ich auch mit.«
Niemand machte den Versuch, es ihm zu verwehren.
Carmelita und ihre Schwestern hatten Bunny genug über La Pobrecita erzählt, um in ihr die Bereitschaft zu wecken, bei ihrer Befreiung behilflich zu sein.
»Angenommen, es kommt
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