McCaffrey, Anne & Scarborough, Elizabeth - Petaybee 02
erreicht hatte.
Dann hob er eine Flossenhand so hoch über das Auge, wie nur möglich, und teilte dem Wesen mit, was er wollte.
Erinnerst du dich noch an den Ort, bevor er einstürzte?
Ja.
Bring mich zur anderen Seite.
Wie du wünschst.
Sean-Selkie hatte gerade noch Zeit, sich einen Halt an der Seitenflosse zu verschaffen, als er auch schon mit erstaunlicher Geschwindigkeit nach vorn schoß. In diesem lichtlosen Medium kam die Reise ihm sehr lange vor. Schließlich hielt der Röhrenwal inne, so abrupt, daß Sean-Robbe mit einem Purzelbaum nach vorn schoß, an den ungerührten Augen des Wals vorbei und die eisverkrustete Steigung eines Tunnels hinauf, der sich auf subarktische Meere öffnete.
Du warst mir eine große Hilfe, und dir gebührt meine Dankbarkeit.
Du bist bekannt, und dein Verlangen findet Beachtung.
Dann verschwand der Wal, sein merkwürdiges Lied singend, auf das in der Ferne leise Antwort ertönte, wie Sean-Selkie vernahm, in ebendiese Richtung schwamm der Röhrenwal nun auch davon. Sean-Robbe schaute ihm hinterher, bis das Peitschen seiner Flossen im dunklen Meer verschwunden war. Nun stieg er in den Schlund dieses Teils der unterirdischen Verbindung zwischen den Kontinenten mit seinen leuchtenden Wänden und dem nebelfeuchten Boden.
Er war kaum mehr als ein paar hundert Meter weit gekommen, als er auch schon wußte, daß Aoifa und ihre Katze es bis hierher geschafft hatten. In einem kleinen Loch lag, säuberlich aufgehäuft und gefroren, aber deutlich auszumachen, ein wenig tierischer Kot, umringt von Krallenabdrücken, die bewiesen, daß die Katze ihren Sinn für Anstand noch nicht eingebüßt hatte, obwohl sie nicht imstande gewesen war, ihre Exkremente zu vergraben. Und vier Schritte weiter waren auch menschliche Exkremente zu sehen.
Sean-Selkie seufzte erleichtert und kroch die lange Steigung hinauf, durch riesige Höhlen – Fischskelette – an Teichufern, und er nutzte die Gelegenheit, hineinzuspringen und sich selbst zu versorgen, um Kraft für diese lange, einsame Reise zu schöpfen. Und er entdeckte auch die zusammengeknüllten Verpackungen von Reiseproviant.
Sean-Robbe wußte nicht genau abzuschätzen, wie weit und wie lang die räumliche und zeitliche Strecke war, die er zurücklegte. Als Robbe kam er sicherer und ökonomischer voran; und da er keine Kleidung für seine Menschengestalt mit sich führte, gab es allen Grund, so weiterzumachen.
Als er schließlich wieder ans Tageslicht heraustrat, wo die Sonne ihn blendete, stolperte er ohne jede Vorwarnung in die Gefahr. Am angreifbarsten war er während des Prozesses der Verwandlung, da der Übergang seine Sinneswahrnehmung beeinträchtigte, vor allem Sicht und Gehör. Der erste Pfeil traf ihn in die Wade, als diese sich gerade aus einer Flosse formte, immer noch mit fleckigem Fell bedeckt. Der zweite Pfeil hätte ihn getötet, wäre da nicht eine Wildkatze gewesen, die ihn beiseite stieß. Fauchend wachte die Katze über ihn, stellte sich gegen die zerlumpten Menschen, die den Höhleneingang umgaben.
Eine Tatze mit ausgefahrenen Krallen erhoben, gebot sie ihrem Vormarsch Einhalt.
Danke, Wolkige. Ich bin dir ein Leben schuldig. Kannst du mit mir laufen?
Muß erst den Übergang beenden. Kann weder laufen noch schwimmen, nicht so, nicht mit dieser Beinwunde. Geh du nur. Da ist ein Gewehr auf dich gerichtet. Geh schnell. Mich halten sie für wehrlos.
Mit einem letzten Satz nach vorn, der die zerlumpten Kreaturen schreiend davonstieben ließ, wenn auch das Bewaffnete sich nicht von der Stelle rührte, fuhr die Katze herum und huschte in die Höhle zurück, wo sie bald verschwand.
»Kümmert euch nicht um die Katze. Die gibt es im Dutzend billiger. Ergreift dieses Ungeheuer! Es darf nicht entkommen!«
Und so erfuhr Sean-Selkie, der im Augenblick weder Mensch war noch Robbe, die Demütigung, gefesselt zu werden, und die Qual, daß ihm ein Pfeil aus dem Fleisch gerissen wurde. Selbst Robben konnten das Bewußtsein verlieren.
Als Sean wieder zu sich kam, erschauerte er; denn er schien an einem dumpf stinkenden, dunklen Ort in einer Pfütze aus grießigem kalten Wasser zu liegen. Seine Robbenaugen – schärfer als die eines Menschen – zeigten ihm, daß er allein unter einem Haufen von Bündeln und Kisten in einem Zelt aus schlecht gegerbten Häuten lag; danach stank auch die Luft, ebenso nach dem Schimmel ständiger Feuchtigkeit. Er war an den Boden gefesselt, und die Wunde an seinem Bein schmerzte.
Sean begriff, daß es
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