McCaffrey, Anne & Scarborough, Elizabeth - Petaybee 02
eine Menge auf die Beine stellen«, bot sie ihm zum Ausgleich an.
»Das haben wir schon«, sagte er lachend. Doch seine Hand auf ihrem Rücken führte sie entschlossen aus ihrem abgeschiedenen Zufluchtsort.
Coaxtl mußte ein sehr schlimmes Tier sein, begriff Ziegendung, sonst hätte er eine so schlimme Person wie sie doch aufgefressen, statt seine Kleintierbeute mit ihr zu teilen, als wäre sie eine Welpe.
Vielleicht war Coaxtl auch gar nicht männlichen Geschlechts.
Ziegendung linste unauffällig hinüber. Schwer zu sagen. Die Katze war extrem pelzig, mit zusätzlichen Büscheln an den Ohren und einer dicken, buschigen Rute. Ihr Fell war dicht und sah sehr weich aus; es war weiß, mit unterschiedlich großen Flecken, abhängig von dem jeweiligen Muskel, den sie bedeckten: lange, rechteckige am Hals; große, kreisförmige auf den Schultern; kleinere, regelmäßigere am Unterbauch, in allen Schattierungen von Grau bis Schwarz und vom langen, dichten Fellhaar unscharf und verwaschen. Auch die Tatzen waren extrem groß, obwohl das Gesicht lieblich aussah, mit großen goldenen Augen und einer schwarzen Nase, dazu ein Mund mit schwarzen Lippen, der unentwegt zu lächeln schien. Ziegendung fand, daß die Katze durchaus weiblich aussah, und dicht unter dem Bauch war nichts zu erkennen, was sie vom Gegenteil überzeugt hätte. So glaubte sie denn auch den Grund dafür zu kennen, weshalb die Katze sie nicht aufgefressen hatte: Es lag daran, daß Coaxtl eine Mutterkatze war. Wahrscheinlich hatte sie ihre Jungen verloren und war nun bereit, Ziegendung an ihrer Statt anzunehmen. Das mußte es sein. Jedenfalls zeigte die Katze keinerlei Skrupel, andere Beutetiere zu töten.
Mit einem mächtigen Satz und einer wischenden Bewegung des muskulösen Vorderlaufs, einem geschickten Einhaken der Pranke und einem einzigen, sparsamen Biß erlegte die Katze ein Beutetier nach dem anderen – drei Schneegänse und ein Hasenrudel. Nachdem sie das letzte Beutetier erlegt hatte, nahm Coaxtl Platz, die Hasen zu ihren Füßen, und blickte Ziegendung erwartungsvoll an, was diese als Einladung auffaßte, an dem Schmaus teilzunehmen.
»Ich… ich kann kein rohes Fleisch essen«, sagte sie. So hungrig sie auch war, glaubte sie doch tatsächlich, daß sie nicht dazu in der Lage sein würde. Das Leben in der Herde war zwar hart; dennoch pflegten sie ihre Vögel erst zu rupfen und ihre Beutetiere zu häuten, bevor sie diese zubereiteten. Ziegendung wandte den Blick zurück, ließ ihn über die ehrfurchtgebietende Weite der Bergweiden schweifen und dachte an den Heulenden Hirten und die Tracht Prügel, die ihr sicher war, wenn man sie wiederfand – und was noch schlimmer war: daran, daß sie die Frau des Hirten werden mußte, und an alles, was das bedeutete.
»Außerdem möchte ich nicht ungeschützt im Freien bleiben. Können wir nicht in die Höhle zurückkehren?«
Coaxtl musterte sie eindringlich mit goldenen Augen. Ziegendung wünschte sich, daß die Katze wieder zu ihr sprechen mochte – nicht, daß das Tier die Worte tatsächlich laut ausgesprochen hätte. Doch Ziegendung hörte die Worte in ihrem Geist, und wenn die große Katze sich auch nur sehr knapp mit ihr unterhielt, war es doch immerhin eine Unterhaltung, noch dazu ohne Zorn und Vorwürfe, was Ziegendung viel häufiger zu hören bekam. Es war nicht so, daß die Katze sie regelrecht mochte; aber bisher schien Coaxtl ihr auch nicht mit Abneigung zu begegnen. Natürlich sagten die Leute in der Herde nie, daß sie Ziegendung nicht mochten. Im Gegenteil, sie behaupteten allesamt, daß sie sie liebten und sie nur deswegen auf ihre Fehler aufmerksam machten, damit sie nicht dem Bösen in der Welt zum Opfer fiele; doch zeigten die Leute ständig durch Wort und Tat, wie sehr sie davon überzeugt waren, daß es völlig hoffnungslos war, Ziegendung retten zu wollen.
Ziegendung folgte der Katze das angeschwollene Flußbett entlang zur Höhle zurück. Der Schnee war noch keineswegs gänzlich geschmolzen, und plötzlich war die Luft kühler geworden, hatte sich der leise Nieselregen, der den ganzen Tag über niedergegangen war, erst in Eis und dann in Schnee verwandelt. Nur notdürftig in ihre nassen Lumpen gekleidet, begann Ziegendung so heftig zu zittern, daß ihr sogar das Gehen schwerfiel.
In der Höhle war es wärmer, vielleicht wegen des Teichs in ihrer Mitte. Doch war es nicht warm genug, um den bei Anbruch der Nacht einsetzenden Temperatursturz auszugleichen. Sie brauchte unbedingt
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