McCreadys Doppelspiel
Welt, in die er schon bald zurückkehren und in der er sich fortan zurechtfinden mußte, ohne auf den Rückhalt in der kleinen Gruppe seiner Kollegen zählen zu können, der Geheimdienstleute, mit denen er fast sein ganzes Arbeitsleben verbracht hatte.
Er dachte an seine Frau; wäre sie noch am Leben gewesen, hätte er sich mit ihr ins Privatleben zurückgezogen, für sie beide ein Häuschen am Meer irgendwo in Devon oder Cornwall gekauft. Er hatte manchmal von einem eigenen kleinen Fischerboot geträumt, das in einem kleinen, von einer Mauer umgebenen Hafen vor sich hin dümpeln würde, vor den Winterstürmen geschützt, und mit dem er im Sommer hinausfahren würde, um am Abend Kabeljau, Schollen oder schlanke, glitzernde Makrelen heimzubringen.
In seinem Traum wäre er schlicht Mr. McCready gewesen, der aus dem Haus über dem Hafen, oder auch Sam, wenn er mit den einheimischen Fischern und Krabbenfängern in der gemütlichen Kneipe saß. Es war natürlich nur ein Traum, den er manchmal in dunklen, verregneten Gassen irgendwo in der Tschechoslowakei oder in Polen geträumt hatte, wenn er auf einen >Treff< wartete oder einen toten Briefkasten beobachtete, um festzustellen, ob das Versteck inzwischen entdeckt worden war, bevor er hinging, um die Nachricht herauszuholen.
Aber der Mai war vorüber, und er war allein auf der Welt; Geborgenheit fand er nur noch in der Kameradschaft der anderen Männer, die sich wie er dafür entschieden hatten, ihrem Land zu dienen und ihr Leben an jenen düsteren Orten zu verbringen, wo der Tod nicht von Glanz und Gloria begleitet war, sondern sich mit dem Geräusch von Soldatenstiefeln auf Kopfsteinpflaster und dem blendenden Strahl einer Taschenlampe ankündigte. Er hatte sie alle überlebt, aber er wußte, daß er die Bonzen nicht überleben würde.
Außerdem wäre er einsam gewesen, ganz allein dort unten im Südwesten, weit weg von den anderen alten Haudegen, die ihren Gin in London im Special Forces Club tranken. Wie die meisten Männer, die ihr Leben im Schatten verbracht haben, war er im Grunde seines Herzens ein Einzelgänger, der nur schwer neue Freunde gewann, wie ein alter Fuchs, der lieber ein vertrautes Versteck aufsucht, als sich auf der Lichtung zu zeigen.
»Ich meine nur«, sagte Timothy Edwards gerade, »daß diese tollkühnen Grenzgänge nach Ostdeutschland und zurück der Vergangenheit angehören. Ab nächsten Oktober wird es die DDR nicht mehr geben. Sie existiert schon heute nur noch dem Namen nach. Unsere Beziehungen zur UdSSR haben sich in ungeahnter Weise verändert; es wird keine Überläufer mehr geben, nur noch willkommene Gäste...«
Ach Gott, dachte McCready, auf dem Trip ist er also. Und was passiert, mein lieber Timothy, wenn in Moskau eine Hungersnot ausbricht und die Hardliner dem in die Enge getriebenen Michail Gorbatschow endgültig auf den Pelz rücken? Aber lassen wir das.
Er ließ seine Aufmerksamkeit wieder abschweifen und dachte an seinen Sohn. Er war ein guter Junge, ein prächtiger Bursche; er hatte gerade sein Studium abgeschlossen und wollte Architekt werden. Gut für ihn. Er hatte eine hübsche blonde Freundin, mit der er zusammenlebte - das machten sie heute anscheinend alle. Bei hübschen Mädchen verzichtete man auf jede Sicherheitsüberprüfung. Und Dan kam ab und zu bei ihm vorbei. Das war schön. Aber der Junge hatte sein eigenes Leben, mußte seinen Mann stehen, Freundschaften schließen und Reisen machen - hoffentlich an Orte, die heller und sicherer waren als die, die sein Vater kennengelernt hatte.
Er wünschte, er hätte sich mehr mit seinem Sohn befaßt, als er noch klein war, wünschte, er hätte die Zeit gehabt, sich mit ihm auf dem Teppich zu wälzen und ihm Gutenachtgeschichten vorzulesen. Viel zu oft hatte er das May überlassen müssen, weil er an irgendeine gottverlassene Grenze mußte, wo er auf den Stacheldraht starrte und darauf wartete, daß sein Agent angekrochen kam oder die Alarmsirenen schrillten, was bedeutete, daß man den Mann nie wiedersehen würde.
Über zu viel von dem, was er getan und gesehen hatte, über zu viele Orte, an denen er gewesen war, konnte er nicht mit dem jungen Mann sprechen, der ihn immer noch Dad nannte.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Vorschlag, Timothy, der in gewisser Weise meinen eigenen vorwegnimmt.«
Denis Gaunt schlug sich wacker, brachte die Kerle dazu, ihm zuzuhören, und gewann sichtlich an Statur, während er sprach. Er war ein guter Mann, zwar eher für den
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