McCreadys Doppelspiel
seine Maschine abgestellt und kletterte aus der Führerkanzel, als Rowse seinen Namen rief. Kleist fuhr herum, bereit, sich zu verteidigen, doch dann erkannte er Rowse. Auf seinem zerklüfteten Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
»Tom! Tom, alter Freund.«
Er umarmte Rowse, als wollte er ihn erdrücken. Als er ihn wieder losgelassen hatte, trat er einen Schritt zurück und betrachtete den ehemaligen Soldaten der Special Forces, den er vor vier Jahren zum letzten Mal gesehen und im Jahre 1977 auf einem glühheißen Flughafen in Somalia kennengelernt hatte. Rowse war damals vierundzwanzig gewesen, und Kleist war sechs Jahre älter als er. Aber er wirkte jetzt älter als vierzig. Viel älter.
Am 13. Oktober 1977 hatten vier palästinensische Terroristen eine Lufthansa-Maschine auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt mit sechsundachtzig Passagieren und einer fünfköpfigen Besatzung an Bord entführt. Der Jet war nacheinander in Rom, Larnaka, Bahrain, Dubai und Aden gelandet und schließlich wegen Treibstoffmangels in Mogadischu, der öden Hauptstadt Somalias, gestrandet.
Dort war die Maschine in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober fünf Minuten nach Mitternacht von Angehörigen der Bundesgrenzschutz-Elitetruppe GSG-9 gestürmt worden, die sich den britischen SAS zum Vorbild genommen hatte und großenteils auch von ihm ausgebildet worden war. Es war für Oberst Ulrich Wegeners Cracks der erste Einsatz im Ausland. Sie waren gut, sehr gut, aber zwei SAS-Sergeants kamen trotzdem mit. Der eine war Tom Rowse.
Die Briten waren aus zwei Gründen dabei. Zum einen hatten sie große Erfahrung darin, verschlossene Flugzeugtüren in Sekundenbruchteilen aufzusprengen, zum anderen waren sie geübt im Umgang mit den in Großbritannien entwickelten >Blendgranaten<, die einen Terroristen durch ihre dreifache Wirkung für entscheidende Sekunden ablenken sollten. Durch einen grellen Blitz, der das Auge blendete, durch eine Stoßwelle, die Desorientierung hervorrief, und durch einen mörderischen Knall, der über die Trommelfelle das Gehirn erschütterte und vorübergehend jede Reaktion lähmte.
Nach der gelungenen Befreiung der Geiseln ließ Bundeskanzler Helmut Schmidt seine Krieger antreten und zeichnete sie im Namen der dankbaren Nation alle mit Verdienstmedaillen aus. Die beiden Briten dagegen hatten sich in Luft aufgelöst, bevor die Politiker und die Journalisten auftauchten.
Die beiden SAS-Sergeants waren zwar nur als technische Berater mitgekommen - darauf hatte die britische Labour- Regierung bestanden -, aber tatsächlich hatte sich folgendes abgespielt: Die Briten stiegen als erste die Leiter hinauf, um die Hecktür abzusprengen, der man sich von hinten und unter dem Flugzeugrumpf genähert hatte, um nicht von den Terroristen entdeckt zu werden.
Da es unmöglich war, in pechschwarzer Finsternis oben auf einer Aluminiumleiter die Plätze zu tauschen, stürmten die beiden SAS-Leute auch als erste durch das klaffende Loch und warfen ihre Blendgranaten. Dann traten sie beiseite und ließen die GSG-9-Leute durch, die dann die restliche Arbeit machten. Die beiden ersten Deutschen waren Uli Kleist und ein weiterer GSG-9-Mann. Sie drangen in den Mittelgang ein und ließen sich befehlsgemäß flach auf den Boden fallen, die Waffen schußbereit nach vorne gerichtet, wo sich nach ihren Instruktionen die Terroristen aufhalten würden.
Und sie waren tatsächlich da. An der vorderen Trennwand, noch benommen von der Explosion der Blendgranaten. Ihr Anführer, den sie Hauptmann Mahmoud nannten - er hatte den Lufthansa-Kapitän Jürgen Schumann ermordet -, richtete sich mit einer Maschinenpistole in den Händen auf. Neben ihm kam gerade eine der beiden Frauen wieder auf die Beine; sie hatte eine Handgranate in der einen Hand und wollte sie mit der anderen gerade abziehen. Uli Kleist hatte noch nie aus so kurzem Abstand auf einen Menschen geschossen, und deshalb trat Rowse aus der Toilettennische in den Mittelgang und erledigte das für ihn. Das GSG-9-Team erschoß den zweiten männlichen Terroristen und verwundete die andere Frau. Nach acht Sekunden war alles vorbei.
Zehn Jahre später stand jetzt Uli Kleist auf einem Hamburger Kai in der Sonne und musterte grinsend den schlanken jungen Mann, der vor so langer Zeit in dem engen Flugzeug die zwei Schüsse über seinen Kopf hinweg abgegeben hatte.
»Was führt dich denn nach Hamburg, Tom?«
»Ich schlage vor, ich lade dich zum Essen ein, und dann erzähl ich’s dir.«
Sie
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