McCreadys Doppelspiel
Hosen zu kaufen, wie sie die Landarbeiter hier trugen. Wenn sie Glück hatten, würde niemand in der Nähe des Häuschens auftauchen. Jetzt im Mai war es zu spät für das Spritzen der Blüten und noch zu früh für die Ernte. Das Häuschen wurde offensichtlich nicht mehr benutzt. Das Dach war zur Hälfte durchgebrochen. Überall lag dicker Staub; an einer Wand lehnten ein paar Hacken mit abgebrochenem Stiel. Für die SAS-Sergeants, die schon wochenlang in feuchten Bruchbuden in den Hügeln von Ulster kampiert hatten, war es wie ein Vier-Sterne-Hotel.
»Hallo«, murmelte Bill, der sich sein Glas hatte zurückgeben lassen. »Nicht übel.« Er reichte das Glas McCready.
Eine junge Frau war aus dem Hotel auf die Terrasse gekommen. Ein strahlender Kellner geleitete sie an einen Tisch. Sie trug ein schlichtes, aber elegantes weißes Kleid auf ihrer goldbraunen Haut. Ihr blondes Haar hing bis auf die Schultern herab. Sie setzte sich und bestellte offenbar einen Aperitif.
»Denkt lieber an eure Arbeit«, grummelte McCready. »Wo ist Rowse?«
Die Sergeants grinsten.
»Ach ja, den gibt’s ja auch noch. Die Fensterreihe oberhalb der Terrasse. Das dritte Fenster von links.«
McCready hob das Fernglas an. An keinem der Fenster waren die Vorhänge zugezogen. Hinter mehreren brannte Licht. McCready sah eine Gestalt, nackt bis auf ein um die Hüften geschlungenes Handtuch, aus der Dusche kommen und durchs Zimmer gehen. Es war Rowse. So weit, so gut. Aber von den bösen Buben war noch keiner aufgetaucht. Die anderen Gäste nahmen ihre Plätze auf der Terrasse ein; ein dicker levantinischer Geschäftsmann mit glitzernden Ringen an beiden Händen und ein älterer Mann, der alleine an einem Ecktisch saß und die Speisekarte las. McCready seufzte. Er hatte in seinem Leben schon so oft warten müssen, und er konnte es immer noch nicht ausstehen. Er gab das Fernglas zurück und sah auf die Uhr. Viertel nach sieben. Noch zwei Stunden, dann würde er mit Marks zum Abendessen ins Dorf zurückfahren. Die Sergeants würden die ganze Nacht über Wache halten.
Rowse zog sich an und sah auf die Uhr. Zwanzig nach sieben. Er schloß sein Zimmer ab und ging auf die Terrasse hinunter, um vor dem Abendessen etwas zu trinken. Auf der anderen Talseite war die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden, so daß der Hang gegenüber der Terrasse in tiefen Schatten getaucht war, die Konturen der Berge jedoch als goldene Lichtsäume erstrahlten. In Paphos unten an der Küste würde noch eine Stunde lang die warme Frühsommersonne scheinen.
Es waren drei Leute auf der Terrasse; ein dicker Mann, der allem Anschein nach aus einem Mittelmeerland stammte, der alte Knabe mit den unwahrscheinlich schwarzen Haaren und die Frau. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und schaute ins Tal hinaus. Ein Kellner kam. Rowse nickte zu dem Tisch neben der Frau hin, vorne an der Brüstung der Terrasse. Der Kellner grinste und führte ihn beflissen an den Tisch. Er bestellte Ouzo und eine Karaffe Quellwasser.
Während er sich setzte, blickte er kurz zum Nebentisch hin. Er nickte und murmelte »Abend«.
Sie nickte zurück und schaute weiter auf das dunkler werdende Tal hinaus. Sein Ouzo kam. Auch er schaute ins Tal. Nach einer Weile sagte er.
»Darf ich einen Toast ausbringen?«
Sie war überrascht.
»Einen Toast?«
Er wies mit dem Glas in der Hand auf die in Schatten gehüllten Berge vor ihnen und die ins rosige Licht des Sonnenuntergangs getauchte Landschaft hinter ihnen.
»Auf die Ruhe. Und auf die Schönheit.«
Sie lächelte schwach.
»Auf die Ruhe«, sagte sie und trank einen Schluck von ihrem Weißwein. Der Kellner brachte zwei Speisekarten. Sie studierten sie an ihren getrennten Tischen. Sie bestellte sich Bergforelle.
»Da kann ich nicht drüber. Für mich auch«, sagte Rowse zu dem Kellner.
»Sind Sie alleine hier?« fragte Rowse leise.
»Ja«, sagte sie zögernd.
»Ich auch«, sagte er. »Und das bekümmert mich, denn ich bin ein gottesfürchtiger Mann.«
Sie runzelte verständnislos die Stirn.
»Was hat Gott damit zu tun?« Er stellte fest, daß sie keinen britischen Akzent hatte. Ihre Stimme hatte einen heiseren Unterton. Amerikanerin? Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Landschaft.
»Die Aussicht, der Frieden, die Berge, die untergehende Sonne, der Abend. Er hat das alles geschaffen. Aber bestimmt nicht dafür, daß man alleine zu Abend ißt.«
Sie mußte lachen. Schöne weiße Zähne blitzten in ihrem von der Sonne vergoldeten Gesicht auf.
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