McCreadys Doppelspiel
Sie hatten beide ihr eigenes Leben; auf ihn warteten sein Haus, seine Schriftstellerei und seine Frau. Ganz plötzlich bekam er heftige Sehnsucht nach Nikki.
Auf der Fahrt zum Flughafen Nikosia nahm er an, daß seine zwei Sergeants irgendwo hinter ihm waren. Das stimmte auch. Aber McCready war woanders. Der Stationschef in Nikosia hatte erreicht, daß er mit einem Versorgungsflug der britischen Luftwaffe nach Lyneham in der Grafschaft Wiltshire mitfliegen konnte; das Flugzeug würde noch vor der Linienmaschine der British Airways in England sein, und in diesem Augenblick war er schon in der Luft.
Kurz vor Mittag schaute Rowse aus dem Fenster und sah unter der Tragfläche das grüne Troodosgebirge entschwinden. Er dachte an Monica, an Mahoney, der noch immer die Hotelbar stützte, und an al-Mansur, und er war froh, nach Hause zu kommen. Auf alle Fälle würden die grünen Wiesen von Gloucestershire viel weniger gefährlich sein als der Hexenkessel des Nahen Ostens.
5
Dank des Zeitgewinns landete Rowse schon kurz nach Mittag. McCready war eine Stunde vor ihm angekommen, aber das wußte Rowse nicht. Als er die Maschine verließ und die Röhre betrat, die zum Flughafengebäude führte, hielt eine junge Frau in der Uniform der British Airways eine Karte hoch, auf der >Mr. Rowse< stand.
Er gab sich zu erkennen.
»Ah, wir haben eine Nachricht für Sie, an der Information, gleich nach dem Zoll«, sagte sie.
Er dankte ihr und ging kopfschüttelnd zur Paßkontrolle weiter. Er hatte Nikki nicht gesagt, daß er kommen würde, weil er sie überraschen wollte. Die Nachricht lautete:
»Scott’s. Zwanzig Uhr. Hummer auf Geschäftskosten.«
Er fluchte. Das bedeutete, daß er erst morgen nach Hause fahren konnte. Sein Auto stand auf dem Flughafen-Parkplatz. Wenn er nicht zurückgekommen wäre, hätte die >Firma<, tüchtig wie immer, den Wagen sicherlich ausgelöst und seiner Witwe gebracht.
Er nahm den Flughafenbus, holte sein Auto und mietete sich in einem der Flughafenhotels ein. Es blieb ihm noch Zeit, ein Bad zu nehmen, sich zu rasieren, zu schlafen und einen Anzug anzuziehen. Da er vorhatte, jede Menge guten Wein zu trinken, wenn es ihn schon nichts kosten sollte, beschloß er, mit dem Taxi in die Stadt und wieder zurück zu fahren.
Als erstes rief er Nikki an. Sie war überglücklich, und ihre Stimme überschlug sich fast vor Freude und Erleichterung.
»Geht’s dir gut, Liebling?«
»Ja, alles in Ordnung.«
»Und es ist vorbei?«
»Ja, die Recherchen sind abgeschlossen, bis auf ein paar Einzelheiten, die ich auch hier in England rauskriege. Und wie geht’s dir?«
»Mir geht’s bestens. Rate mal, was passiert ist?«
»Ich weiß es nicht, aber du wirst es mir gleich sagen.«
»Während du weg warst, ist ein Mann gekommen. Er hat gesagt, er muß eine große Firmenwohnung in London einrichten und ist auf der Suche nach Teppichen. Er hat alles gekauft, unseren ganzen Vorrat. Und bar bezahlt. Sechzehntausend Pfund. Liebling, wir sind reich.«
Rowse hielt den Hörer in der Hand und starrte die DegasReproduktion an der Wand an.
»Dieser Mann, woher war der?«
»Mr. Da Costa? Aus Portugal. Warum?«
»Dunkle Haare, dunkler Teint?«
»Ja, ich glaub schon.«
Araber, dachte Rowse. Libyer. Während Nikki draußen in der Scheune war, wo sie die Teppiche und Läufer lagerten, die sie nebenbei verkauften, war höchstwahrscheinlich jemand ins Haus eingedrungen und hatte eine Wanze im Telefon angebracht. Al- Mansur dachte offenbar an alles.
»Na wunderbar«, sagte er fröhlich. »Ist ja auch gleich, woher er war. Hauptsache, er hat bar bezahlt.«
»Wann kommst du denn heim?« fragte sie aufgeregt.
»Morgen früh. Ungefähr um neun bin ich da.«
Er fand sich um zehn nach acht in dem exzellenten Fischrestaurant in der Mount Street ein und wurde an den Ecktisch geführt, an dem Sam McCready saß. McCready bevorzugte Ecktische; an so einem Tisch konnten beide mit dem Rücken zur Wand sitzen, sich bequem unterhalten und trotzdem das ganze Lokal überblicken. »Es darf einfach nicht passieren, daß einer Sie von hinten erledigt«, hatte ihm vor Jahren einer seiner Ausbildungsoffiziere gesagt; der Mann wurde später von George Blake verraten und in einer Verhörzelle des KGB >erledigt<. McCready hatte einen Großteil seines Lebens mit dem Rücken zur Wand verbracht.
Rowse bestellte Hummer a la Neuberg, McCready aß seinen kalt mit Mayonnaise. Rowse wartete, bis der Weinkellner beiden ein Glas Meursault eingeschenkt
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