McCreadys Doppelspiel
Radar-Scanner bekamen. Sie hatte vorne eine kleine Kabine, vor der Angelruten und -leinen wirr durcheinanderlagen, und ein offenes Achterdeck mit zehn Rutenhaltern und einem einzigen, aus Eichenholz selbst gezimmerten Angelsitz.
Jimmy Dobbs hatte keine Silikonchips, die die Fische für ihn aufspürten; er fand sie selber, so, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte, mit Augen für die geringste farbliche Veränderung des Wassers, für das Kräuseln an der Oberfläche, das eine Ursache haben mußte, für den herabstoßenden Fregattvogel in der Ferne - und mit dem instinktiven Wissen, wo die Fische diese Woche waren und was auf ihrem Speisezettel stand. Er fand sie, Tag für Tag. Das war der Grund, warum Julio Gomez jeden Urlaub auf der Insel verbrachte, um mit Jimmy zum Angeln aufs Meer hinauszufahren.
Das einfache Leben auf den Inseln, die technische Anspruchslosigkeit der Gulf Lady waren nach Julios Herzen. In seinem beruflichen Alltag hatte er fast ständig mit Amerikas moderner Technologie zu tun - wenn er an seinem Computer saß oder einen Wagen durch das Verkehrschaos von Miami steuerte. Im Urlaub wollte er das Meer und die Sonne und den Wind, das und die Fische, denn Julio Gomez hatte nur zwei Leidenschaften, seinen Job und das Angeln. Fünf Tage war er jetzt zum Angeln aufs Meer hinausgefahren, und zwei hatte er noch vor sich, den Freitag und den Samstag. Am Sonntag mußte er zurück nach Florida fliegen und am Montagmorgen wieder zur Arbeit gehen. Der Gedanke daran entlockte ihm einen Seufzer.
Auch Jimmy Dobbs war glücklich und zufrieden. Er hatte einen angenehmen Tag mit seinem Kunden und Freund verbracht, er hatte ein paar Dollar in der Tasche, mit denen er seiner Frau ein Kleid und für sie beide und ihre Sprößlinge etwas Gutes zum Abendessen kaufen konnte. Was, dachte er, kann man vom Leben mehr verlangen?
Kurz nach fünf Uhr legten sie an dem altersschwachen, aus Holz gebauten Pier für die Fischerboote an. Schon seit Jahren müßte er eigentlich zusammenbrechen, aber er stand noch immer. Der letzte Gouverneur hatte gesagt, er werde London um einen Zuschuß für den Bau eines neuen Kais bitten, doch dann war er abgelöst worden, und sein Nachfolger, Sir Marston Moberley, interessierte sich nicht für den Fischfang. Er interessierte sich auch nicht für die Inselbewohner, wenn man dem Kneipengeplauder in Shantytown glauben wollte, und geglaubt wurde es immer.
Wie jedesmal kamen Kinder herbeigerannt, um den Fang zu besichtigen und mitzuhelfen, die Fische an Land zu bringen, wie immer wurde das Festmachen der Gulf Lady von Neckereien im schwungvollen Singsang der Insulaner begleitet.
»Bist du morgen frei, Jimmy?« fragte Gomez.
»Klar. Möchtest du wieder hinaus?«
»Deswegen bin ich ja nach Sunshine gekommen. Bis morgen um acht dann.«
Julio Gomez versprach einem kleinen Jungen einen Dollar, wenn er ihm den Fisch trug, und zusammen verließen die beiden den Hafen und gingen durch die dämmrigen Straßen von Port Plaisance. Sie brauchten nicht weit zu gehen, denn in Port Plaisance gab es keine großen Entfernungen. Es war keine große Stadt, eigentlich eher ein Dorf.
Es war eine kleine Ortschaft, wie man sie auf den meisten kleineren Inseln in der Karibik findet, eine zusammengewürfelte Ansammlung von Häusern, zumeist aus Holz, mit bunten Farben angestrichen und mit Schindeldächern, und dazwischen die Gassen, die mit zerbrochenen Muschelschalen befestigt waren. Am Strand, rings um den kleinen Hafen, den eine geschwungene Mole aus Korallenblöcken begrenzte, an der allwöchentlich die Handelsschiffe anlegten, standen die ansehnlicheren Gebäude - das Zollamt und das Gerichtsgebäude -, sowie das Denkmal für die Gefallenen. Sie alle waren aus Korallenblöcken gebaut, vor langer Zeit geschlagen und mit Mörtel zusammengefügt.
Weiter innen im Ort standen das Rathaus, die kleine anglikanische Kirche, die Polizeiwache und das erste Hotel am Platz, das Quarter Deck. Abgesehen von einem unansehnlichen Lagerhaus aus Wellblech am einen Ende des Hafens waren diese Bauten zumeist aus Holz. Gleich außerhalb von Port Plaisance lag am Meer die Residenz des Gouverneurs. Government House, die Villa und die sie umgebende Mauer ganz in Weiß, mit zwei alten, napoleonischen Kanonen am Tor und der Fahnenstange auf dem sorgfältig gepflegten grünen Rasen. Tagsüber wehte der Union Jack am Fahnenmast, und während Gomez durch die kleine Stadt zu der Pension ging, in der er logierte, wurde gerade die Fahne
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