McCreadys Doppelspiel
herunter und über die stilleren Landstraßen der Grafschaft Hampshire, unweit des Dorfes Dummer. Es war Timothy Edwards’ Privatwagen, und am Steuer war sein Dienstchauffeur. Im Fond saß Sam McCready, der durch einen Anruf des stellvertretenden Chefs aus den gewohnten Sonntagsfreuden in seiner Wohnung in Abingdon Villas gerissen worden war. »Es geht nicht anders, tut mir leid, Sam. Es ist dringend.« Er war genießerisch in einem heißen Bad gelegen, mit Vivaldi aus der Kompaktanlage, als der Anruf kam. Überall auf dem Fußboden im Wohnzimmer waren in einem schönen Durcheinander die Sonntagszeitungen verstreut. Er hatte gerade noch Zeit, ein Sporthemd und einen Cordsamtanzug anzuziehen, da stand John, der den Jaguar aus der Fahrbereitschaft geholt hatte, schon an der Haustür.
Die Limousine rollte auf den kiesbedeckten Vorhof eines ansehnlichen georgianischen Landhauses und kam zum Stehen. John ging um den Wagen herum, um die hintere Tür zu öffnen, doch McCready kam ihm zuvor. Es war ihm verhaßt, wenn man ein Getue um ihn machte.
»Ich soll Ihnen sagen, daß sie hinten sind, Sir, auf der Terrasse«, sagte John.
McCready begutachtete das Herrenhaus. Timothy Edwards hatte zehn Jahre vorher die Tochter eines Herzogs geheiratet, der entgegenkommenderweise schon in mittleren Jahren das Zeitliche gesegnet und seinen beiden Sprößlingen, dem neuen Herzog und Lady Margaret, ein ansehnliches Erbe hinterlassen hatte. Lady Margaret hatte an die drei Millionen Pfund eingestrichen. Nach McCreadys Schätzung war ungefähr die Hälfte dieser Summe in diesem hervorragenden Beispiel ländlicher Architektur in Hampshire angelegt worden. Er ging um das Haus herum zur Rückseite mit der säulengeschmückten Terrasse.
Vier Korbsessel waren im Kreis gruppiert, drei davon besetzt. Weiter hinten war auf einem weißlackierten Tisch aus Gußeisen für drei Personen zum Lunch gedeckt. Lady Margaret würde also sicher im Haus bleiben. Nicht am Lunch teilnehmen. Und er selbst auch nicht. Die beiden Männer in den Rohrsesseln erhoben sich.
»Sieh an, Sam«, sagte Edwards, »freut mich, daß Sie kommen konnten.«
Das ist doch ein starkes Stück, dachte McCready. Als hätte mir der Schuft eine Wahl gelassen.
Edwards musterte McCready und fragte sich, nicht zum erstenmal, warum sein so hochbegabter Kollege zu einer Party in einem Herrenhaus in Hampshire unbedingt in einem Aufzug erscheinen mußte, als käme er gerade von der Gartenarbeit - auch wenn er nicht lange blieb. Edwards selbst trug glänzend gewienerte, perforierte Halbschuhe, eine gelbbraune Hose mit messerscharfen Bügelfalten und über einem Seidenhemd mit Halstuch einen Blazer.
McCready erwiderte den starren Blick und fragte sich, warum Edwards sein Taschentuch immer in den linken Ärmel stecken mußte. Der Brauch stammte aus der Armee und war in den Kavallerieregimentern aufgekommen, weil die Offiziere an den Abenden, an denen auch Frauen Zutritt zum Kasino hatten, derart enge karierte Hosen trugen, daß ein hervortretendes Taschentuch in einer Hosentasche den Damen das Gefühl gegeben hätte, sie hätten eine Spur zuviel Parfüm aufgelegt. Aber Edwards war nie bei der Kavallerie gewesen. Er war aus Oxford zur Truppe gekommen.
»Ich glaube, Sie kennen Chris Appleyard noch nicht«, sagte Edwards, als der hochgewachsene Amerikaner die Hand ausstreckte. Er hatte das lederne Aussehen eines texanischen Cowboys, kam aber in Wirklichkeit aus Boston. Das lederne Aussehen hatte seinen Grund in den Camels, von denen er eine an der anderen ansteckte. Sein Gesicht war nicht sonnengebräunt, sondern nur halb durchgebraten. Deswegen also, ging es McCready durch den Kopf, wird im Freien gegessen. Edwards wollte vermutlich nicht, daß seine Canalettos einen Nikotinüberzug bekamen.
»Schätzungsweise nicht«, sagte Appleyard. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Sam. Ihre Ruf ist mir bekannt.«
McCready wußte nach dem Namen und von Fotos, an die er sich erinnerte, wen er vor sich hatte: den stellvertretenden Chef der Europaabteilung der CIA. Die Frau in dem dritten Korbsessel beugte sich nach vorne und streckte eine Hand aus.
»Hallo, Sam, wie geht’s Ihnen in der letzten Zeit?«
Claudia Stuart, noch mit vierzig eine toll aussehende Frau. Sie hielt seinen Blick und seine Hand eine Winzigkeit länger als nötig fest.
»Großartig, danke, Claudia. Einfach großartig.«
Aus ihren Augen sprach, daß sie ihm das nicht abnahm. Keine Frau, mit der einmal ein Mann das Bett geteilt hat,
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