McCreadys Doppelspiel
Möglichkeit verschaffte, sich aus erster Hand über die tatsächlichen Ereignisse des Abends zu informieren. Dann legte er sich aufs Ohr.
Die Vertreter der Medien fanden zielbewußt und mit geübter Schnelligkeit die Hotelbar. Runden wurden bestellt und getrunken. Die üblichen Scherze eines Pulks von Journalisten mit einem Auftrag im Ausland wurden lauter. Niemand bemerkte einen Mann in einem zerknitterten Tropenanzug, der allein am Ende der Theke saß und dem Geplapper zuhörte.
»Als er wegging, wohin war er da unterwegs?« fragte Eddie Favaro. Er hatte sich am Küchentisch niedergelassen, während Mrs. Macdonald ihm eine Schale ihrer Muschelsuppe vorsetzte.
»Er wollte ins Quarter Deck, auf ein Glas Bier«, sagte sie.
»War er gut aufgelegt?«
Ihr Singsang füllte die Küche.
»Glauben Sie mir, Mr. Favaro, er war ein fröhlicher Mensch. Ich habe ihm einen schönen Fisch zum Abendessen gegrillt. Er hat gesagt, er würde um acht zurück sein. Ich hab ihm noch gesagt, er soll nicht später kommen, weil die Makrele sonst austrocknet. Er hat gelacht und gesagt, er würde schon rechtzeitig zurück sein.«
»Und war er das?«
»Nein. Er kam mit mehr als einer Stunde Verspätung. Der Fisch war trocken und hart. Und er hat Unsinn geredet.«
»Was hat er denn für. Unsinn geredet?«
»Nicht viel. Hat sich offenbar große Sorgen gemacht. Und dann hat er gesagt, er hätte einen Skorpion gesehen. Jetzt essen Sie mal die Suppe auf.«
»Hat er gesagt, einen Skorpion oder den Skorpion?«
Sie runzelte die Stirn, während sie angestrengt nachdachte.
»Ich glaube, er hat einen gesagt. Aber es könnte auch der gewesen sein«, gab sie zu.
Favaro löffelte die Suppe aus, dankte ihr und kehrte zum Hotel zurück. In der Bar ging es drunter und drüber. Er fand einen Platz am anderen Ende, abseits des Journalistenrudels. Auf dem Hocker ganz hinten saß der Engländer vom Flugplatz, der grüßend sein Glas hob, aber nichts sagte. Gott sei Dank, dachte Favaro, der zerknitterte Brite scheint wenigstens die Gabe des Schweigens zu besitzen.
Eddie Favaro mußte nachdenken. Er wußte, wie sein Freund umgekommen war, und er glaubte auch den Grund zu kennen.
Hier auf dieser paradiesischen Insel hatte Julio Gomez wirklich oder vermeintlich den brutalsten Killer gesehen, der ihnen beiden jemals begegnet war.
3
Am nächsten Morgen, gleich nach sieben Uhr, als noch die Kühle des Frühmorgens über dem Land lag, machte sich Desmond Hannah an die Arbeit. Sein Ausgangspunkt war das Government House.
Er befragte ausführlich Jefferson, den Butler, der ihm unter anderem von Sir Marstons Gewohnheit berichtete - an der dieser unbeirrbar festgehalten habe -, sich jeden Nachmittag gegen fünf in seinen ummauerten Garten zurückzuziehen und einen Whisky mit Soda zu trinken, ehe die Sonne unterging. Hannah fragte, wie viele Leute vermutlich von diesem Ritual gewußt hatten. Um Konzentration bemüht, runzelte Jefferson die Stirn.
»Viele Leute, Sir. Lady Moberley natürlich, Lieutenant Haverstock, ich selbst, Miss Myrtle, die Sekretärin, aber sie war bei ihren Eltern auf Tortola zu Besuch. Besucher, die ihn dort im Garten gesehen hatten. Viele Leute.«
Jefferson schilderte genau, wo er die Leiche aufgefunden hatte, erklärte aber, den Schuß nicht gehört zu haben. Später sollte der >Schuß<, von dem Jefferson gesprochen hatte, Hannah überzeugen, daß der Butler die Wahrheit sprach. Aber vorläufig noch wußte er nicht, wie viele Schüsse abgefeuert worden waren.
Das Spurensicherungsteam aus Nassau arbeitete zusammen mit Penrose auf dem Rasen und suchte nach leeren Patronenhülsen aus der Waffe des Killers. Die Männer suchten sehr gründlich, denn es war möglich, daß unachtsame Leute die kleine Messinghülse beziehungweise die Messinghülsen in die Erde getreten hatten. Am Abend nach dem Mord waren Lieutenant Haverstock, Detective Inspector Jones und sein Onkel, Dr. Jones, im Garten umhergegangen und hatten dafür gesorgt, daß keine Fußabdrücke mehr gesichert werden konnten.
Hannah inspizierte die Stahltür in der Gartenmauer, während der Experte aus Nassau sie nach möglichen Fingerabdrücken absuchte. Es gab keine. Wenn der Killer durch diese Tür gekommen war und, wie es schien, sofort geschossen hatte, schätzte Hannah, dürfte der Gouverneur zwischen der Tür und der Korallenmauer unterhalb der Stufen, die nach oben führten, gestanden haben. Sollte eine Kugel seinen Körper durchschlagen haben, müßte sie diese Mauer
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