McCreadys Doppelspiel
getroffen haben. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Experten, die auf dem Rasen umherkrochen, auf den Pfad, der an dieser Mauer entlanglief. Dann ging er wieder ins Haus, um mit Lady Moberley zu sprechen.
Die Gouverneurswitwe erwartete ihn im Salon, wo Sir Marston die Protestdelegation der >Besorgten Bürger< empfangen hatte. Sie war eine magere, blasse Frau mit mausgrauem Haar und einer Gesichtshaut, die von den langen Jahren in den Tropen gelb geworden war.
Jefferson erschien mit einem eisgekühlten Lager-Bier auf einem Tablett. Hannah zögerte, nahm es aber dann doch. Es war ja schließlich ein sehr heißer Vormittag. Lady Moberley nahm ein Glas Grapefruitsaft. Sie sah das Bier mit gierigem Verlangen an. O je, dachte Hannah.
Aber sie konnte im Grunde nicht viel Erhellendes beisteuern. Soviel sie wisse, habe ihr Mann keine Feinde gehabt. Politisch motivierte Verbrechen seien auf den Inseln bis dahin noch nicht vorgekommen. Ja, der Wahlkampf habe eine kleine Kontroverse ausgelöst, aber durchaus im Rahmen der demokratischen Regeln, fand sie.
Sie selbst sei zum Zeitpunkt des Mordes nicht dagewesen, habe ein kleines Missionskrankenhaus am Hang des Spyglass Hill besucht. Es sei von Mr. Marcus Johnson, einem ausgezeichneten Mann und großen Philanthropen, nach seiner Rückkehr auf seine heimischen Barclays vor einem halben Jahr gestiftet worden. Sie habe sich damals bereit erklärt, die Schirmherrschaft über das Krankenhaus zu übernehmen. Sie sei im Dienstwagen ihres Mannes, einem Jaguar, von Stone, dem Chauffeur des Gouverneurs, hingebracht worden.
Hannah dankte ihr und erhob sich. Parker hatte von außen an die Fensterscheibe geklopft. Hannah ging auf die Terrasse hinaus. Parker sagte aufgeregt: »Sie hatten recht, Sir. Hier ist sie.«
Er streckte Hannah die rechte Hand entgegen. Auf der Handfläche lag der flachgedrückte, verformte Überrest dessen, was einst eine Bleikugel gewesen war. Hannah starrte ihn düster an.
»Vielen Dank für Ihren persönlichen Einsatz«, sagte er. »Aber beim nächsten Mal wollen wir doch Pinzette und Plastiktüte nehmen.«
Parker wurde blaß, wieselte dann in den Garten hinab, legte die Kugel wieder auf den Pfad aus zerkleinerten Muschelschalen, öffnete seinen Tatortkoffer und entnahm eine Pinzette. Mehrere von den Männern aus Nassau grinsten.
Mit der Pinzette hob Parker die zerquetschte Kugel mühsam vom Boden auf und ließ sie in eine kleine, durchsichtige Tüte fallen.
»So, und jetzt wickeln Sie Watte um die Tüte und stecken alles in ein Glas mit Schraubverschluß«, sagte Hannah. Parker tat wie geheißen.
»Danke, und jetzt verstauen Sie das Glas im Tatortkoffer, bis wir es unseren Ballistik-Experten schicken können«, sagte Hannah. Er gab einen Seufzer von sich. Diese Geschichte würde sich vermutlich zu einer gräßlichen Plackerei auswachsen. Allmählich drängte sich ihm der Eindruck auf, daß er allein besser zurechtkäme.
Dr. Caractacus Jones, der um sein Erscheinen ersucht worden war, traf im Government House ein. Hannah war froh, sich mit einem Profi, wie er selbst einer war, unterhalten zu können. Dr. Jones schilderte ihm, wie er am Abend vorher kurz nach sechs von Jefferson, den Lieutenant Haverstock losgeschickt hatte, in die Gouverneursresidenz geholt worden war. Jefferson hatte zu ihm gesagt, er solle sofort kommen, da auf den Gouverneur geschossen worden sei. Der Butler hatte nicht erwähnt, daß der Schuß oder die Schüsse tödlich gewesen waren. So hatte Dr. Jones seine Arzttasche genommen und war hinausgefahren, um zu sehen, was er tun konnte. Wie sich zeigte, lautete die Antwort: gar nichts.
Hannah führte Dr. Jones in das Amtszimmer des verewigten Sir Marston und bat ihn um die schriftliche Freigabe der Leiche, damit sie am Nachmittag zur Obduktion nach Nassau geflogen werden konnte. Dies tat Dr. Jones in seiner Eigenschaft als Coroner der Insel. Bannister, der Mann von der Hohen Kommission in Nassau, tippte die Bescheinigung auf Briefpapier des Government House. Er hatte gerade vorher das neue Kommunikationssystem für Hannah installiert.
Im britischen Rechtswesen ist das Gericht mit der höchsten aller Amtsbefugnisse nicht, wie allgemein angenommen wird, das Oberhaus, sondern das Coroner-Gericht. Es hat den Vorrang vor allen anderen Gerichten. Die Überführung der Leiche von Sunshine auf das Territorium der Bahamas machte die entsprechende Anweisung eines Coroners notwendig. Dr. Jones unterschrieb ohne Widerspruch, und damit hatte die Sache
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