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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Regeln des Überlebens noch nicht gelernt hatten.
    »Vielleicht gibt es eine undichte Stelle«, räumte er ein. »Oder auch mehrere. Nachlässigkeit, Gequatsche, eine Gruppe kleiner Agenten. Aber Sie glauben, es handelt sich um einen bestimmten Mann.«
    »Um diesen Mann.« Sie beugte sich nach vorne und klopfte mit einem Finger auf das Foto, das oben an dem Dossier befestigt war.
    »Warum? Warum er?«
    »Weil er immer an Ort und Stelle ist.«
    »In der Nähe«, korrigierte er sie.
    »In der Nähe. Im Umfeld, auf demselben Schauplatz. Jederzeit verfügbar.«
    General Schaljapin hatte sich lange Zeit über Wasser gehalten und gedachte, das noch etliche Jahre fortzusetzen. Im vergangenen März war ihm klargeworden, daß sich so manches verändern würde. Nach dem Tod eines weiteren Greises, Tschernenko, war Michail Gorbatschow rasch und einmütig zum Generalsekretär gewählt worden. Er war jung, tatkräftig und würde sich möglicherweise lange im Amt halten. Er wollte Reformen. Schon hatte er begonnen, die Partei von Elementen zu säubern, die allzu offensichtlich nutzloser Ballast waren.
    Schaljapin kannte die Regeln. Selbst ein Generalsekretär konnte sich immer nur eine der drei Säulen des sowjetischen Staates zum Feind machen. Wenn er sich die alte Garde der Partei vornahm, mußte er dafür sorgen, daß ihm KGB und Armee gewogen blieben. Schaljapin beugte sich über den Schreibtisch und richtete einen pummeligen Zeigefinger auf die Majorin, deren Gesicht sich gerötet hatte.
    »Ich kann aufgrund dieses Materials nicht die Verhaftung eines hochrangigen Stabsoffiziers anordnen. Noch nicht. Etwas Handfesteres, ich brauche etwas Handfestes, einen winzigen, aber stichhaltigen Beweis!«
    »Erlauben Sie, daß ich ihn überwachen lasse«, drängte Ludmilla Wanawskaja.
    »Diskret überwachen«
    »Gut, Genosse General, diskret überwachen.«
    »Dann bin ich einverstanden. Ich werde Ihnen die Leute zur Verfügung stellen.«
     
 
Mittwoch
    «Nur ein paar Tage, Herr Direktor. Eine kurze Pause statt eines richtigen Sommerurlaubs. Ich würde gern mit meiner Frau und meinem Sohn ein paar Tage wegfahren. Übers Wochenende bis einschließlich Mittwoch.«
    Dieter Aust war in Gönnerlaune. Außerdem wußte er natürlich, daß seinen Untergebenen ihr Sommerurlaub zustand. Es überraschte ihn sowieso immer wieder, wie wenig Urlaub Morenz nahm. Vielleicht konnte er es sich nicht leisten.
    »Fünf Tage, das ist kein Problem. Wenn Sie es uns vielleicht ein bißchen früher gesagt. aber nein, es geht schon in Ordnung. Ich werde Fräulein Keppel bitten, den Dienstplan entsprechend abzuändern.«
    Als Bruno Morenz am Abend dieses Tages nach Hause kam, erzählte er seiner Frau, er müsse eine fünftägige Dienstreise antreten.
    »Das Wochenende und bis einschließlich nächsten Mittwoch«, sagte er. »Mein Direktor möchte, daß ich ihn begleite.«
    »Das ist aber nett«, sagte sie und starrte gebannt auf den Fernsehschirm.
    In Wahrheit plante Morenz, ein langes, genußreiches, romantisches Wochenende mit Renate zu verbringen, den Montag Sam McCready und der Einweisung in seine Aufgabe zu widmen und am Dienstag über die Grenze in die DDR zu gehen. Selbst wenn er wegen des zweiten Treffens die Nacht in der DDR verbringen mußte, würde er am Mittwochabend wieder im Westen sein und konnte die Nacht durch fahren, so daß er am Donnerstag rechtzeitig zum Arbeitsbeginn in Köln war. Dann würde er um seine Frühpensionierung einkommen, den September über seine Arbeit abwickeln, sich von seiner Frau trennen und mit Renate nach Bremerhaven abreisen. Er hatte seine Zweifel, ob Irmtraut sich viel daraus machen würde; sie bemerkte ja kaum, ob er da war oder nicht.
     
     
Donnerstag
    Majorin Wanawskaja gab einen sehr undamenhaften Kraftausdruck von sich und knallte den Hörer auf die Gabel. Ihr Überwachungsteam war versammelt, bereit, ihr Objekt, den Stabsoffizier, zu beschatten. Zunächst einmal mußte sie aber ungefähr wissen, wie sein üblicher Tagesablauf aussah. Um das herauszufinden, hatte sie Kontakt zu einem der zahlreichen
    Spitzel des Dritten Direktorats des KGB innerhalb des militärischen Nachrichtendienstes, des GRU, aufgenommen.
    Obwohl der KGB und sein militärisches Pendant, der GRU, oft miteinander auf Kriegsfuß standen, bestand wenig Zweifel, wer von beiden der Hund und wer der Schwanz war. Der KGB war ungleich mächtiger und hatte seine Vorrangstellung noch verstärkt, seit in den frühen sechziger Jahren ein GRU-Oberst

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