McCreadys Doppelspiel
standen jetzt drei amtliche Fahrzeuge.
Wie sein uniformierter Kollege stieß Schiller einen leisen Pfiff aus, als er das Bild sah, das sich in dem Schlafzimmer bot. Renate Heimendorf und ihr Zuhälter lagen noch dort, wo sie zusammengebrochen waren, der Kopf der beinahe nackten Frau nahe bei der Tür, über deren Schwelle das Blut aus ihrer Kopfwunde gesickert war. Der Zuhälter war mit dem Rücken gegen das Fernsehgerät gesunken, das Gesicht trug noch den überraschten Ausdruck. Der Apparat war abgeschaltet. Das Bett mit dem schwarzen Seidenlaken zeigte die Abdrücke der beiden Körper.
Schiller bewegte sich sorgfältig durch den Raum und öffnete mehrere Schränke und Schubfächer.
»Eine Nutte«, sagte er, »ein Callgirl oder sowas Ähnliches. Ob die Leute unten wohl Bescheid wissen? Wir werden sie fragen. Ja, wir brauchen sämtliche Mieter. Fangen Sie an, eine Namensliste aufzustellen. «
Der Polizeimeister, Wiechert mit Namen, der gerade hinausgehen wollte, sagte: »Ich habe den Kerl schon mal wo gesehen. Hoppe. Bernhard Hoppe. Bankräuber, glaube ich. Ein abgebrühter Typ.«
In der Wohnung gab es zwei Telefonapparate, aber Schiller benützte keinen von beiden, auch nicht mit übergestreiften Handschuhen. Er hätte Fingerabdrücke verwischen können. Er ging nach unten und bat den Buchhändler, seinen Apparat benutzen zu dürfen. Vorher postierte er noch zwei uniformierte Beamte an der Haustür, einen unten im Hauseingang und einen vierten vor der Wohnungstür.
Er rief seinen Chef, Rainer Hartwig, Leiter der Mordkommission, an und berichtete ihm von den möglichen Verbindungen zur Unterwelt. Hartwig befand es für klüger, seinen eigenen Chef, den Direktor des Kriminalamtes, davon in Kenntnis zu setzen. Wenn Wiechert recht hatte und der Tote auf dem Schlafzimmerboden ein Gangster war, mußten Experten aus anderen Dezernaten, zuständig für Raub und organisierte Erpressung beispielsweise, hinzugezogen werden.
Inzwischen schickte Hartwig den Erkennungsdienst, einen Fotografen und vier Fingerabdruckspezialisten an den Tatort. Auf Stunden hinaus blieb die Wohnung ihnen ganz allein überlassen, bis buchstäblich jeder Abdruck und Kratzer, jede Faser und jedes Partikel, das von Interesse sein konnte, für eine Analyse gesammelt worden waren. Hartwig holte noch acht weitere Männer von ihren Schreibtischen weg. Viele Leute mußten bei der Suche nach Zeugen befragt werden, die einen Mann oder mehrere Männer hatten kommen oder gehen sehen.
Das Dienstbuch zeigte später, daß der Erkennungsdienst um 11.31 Uhr eintraf und beinahe acht Stunden in der Wohnung blieb.
Zu dieser Stunde trank Sam McCready seine zweite Tasse Kaffee aus und faltete die Landkarte zusammen. Er hatte Morenz sorgfältig in beide Treffen mit Pankratin eingewiesen, ihm das neueste Foto des sowjetischen Generals gezeigt und dargelegt, daß der Mann in der formlosen Arbeitsuniform eines sowjetischen Armeekorporals stecken, eine ins Gesichts gezogene Feldmütze tragen und einen GAZ-Jeep fahren würde. So hatte es der Russe bestimmt.
»Leider nimmt er an, daß er sich mit mir treffen wird. Wir können nur hoffen, daß er sich an Sie aus Berlin erinnert und das Material trotzdem übergibt. So, und jetzt zu dem Wagen. Er steht unten auf dem Parkplatz. Wir machen nach dem Mittagessen eine kleine Tour, damit Sie sich daran gewöhnen.
Es ist eine BMW-Limousine, schwarz, mit Würzburger Nummernschildern. Das hat seinen Grund darin, daß Sie zwar gebürtiger Rheinländer sind, jetzt aber in Würzburg wohnen und arbeiten. Ihre volle Coverstory und die dazugehörigen Papiere gebe ich Ihnen später. Den Wagen mit diesen Kennzeichen gibt es tatsächlich, und er ist eine schwarze BMW-Limousine.
Es ist ein Firmenwagen. Er hat den Grenzübergang an der Saalebrücke schon mehrmals passiert, und so ist zu hoffen, daß man ihn kennt. Die Fahrer waren jedesmal andere, weil es sich ja um einen Firmenwagen handelt. Er war jedesmal nach Jena unterwegs, anscheinend zu den Zeiss-Werken dort. Und er war jedesmal >clean<. Aber diesmal ist an ihm eine Veränderung vorgenommen worden. Unter der Batterieplatte befindet sich ein flaches Fach, das nur zu sehen ist, wenn man wirklich danach sucht. Es ist groß genug für das Buch, das Sie von Smolensk erhalten werden.«
(Morenz hatte, weil er nur das Nötigste wissen sollte, nie Pankratins richtigen Namen erfahren. Er wußte nicht einmal, daß der Mann es inzwischen zum Generalmajor gebracht hatte und in Moskau
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