McCreadys Doppelspiel
wies McCready ihn in die Prozedur ein, an die er sich halten sollte, und erläuterte ihm, wie und wo er, sollte der erste Übergabeversuch scheitern, die Nacht verbringen und wann und wo er sich zum zweiten Treffen mit Pankratin einfinden sollte. Um zehn Uhr legten sie eine Kaffeepause ein.
Um neun Uhr an diesem Vormittag erschien Frau Popovic zur Arbeit in Renate Heimendorfs Wohnung in Hahnwald. Sie war die Putzhilfe, eine Jugoslawin, die jeden Tag von neun bis elf hier arbeitete. Sie hatte ihre eigenen Schlüssel für Hausund Wohnungstür. Sie wußte, daß Fräulein Heimendorf gern lange schlief, schloß also immer selbst die Wohnungstür auf und begann mit der Arbeit, wobei sie das Schlafzimmer aussparte, so daß ihre Arbeitgeberin bis halb elf schlummern konnte. Anschließend nahm sie sich immer das Schlafzimmer vor. Den abgesperrten Raum am Ende des Korridors betrat sie nie. Sie hatte die Auskunft akzeptiert, daß in diesem kleinen Zimmer Möbel eingestellt seien. Womit ihre Arbeitgeberin ihr Brot verdiente, davon hatte Frau Popovic keine Ahnung.
An diesem Vormittag begann sie mit der Küche und wandte sich anschließend Diele und Korridor zu. Sie war damit beschäftigt, im Korridor bis zu der Tür am Ende staubzusaugen, als sie auf der Schwelle dieses Zimmers etwas bemerkte, was sie für einen braunen, seidenen Unterrock hielt. Sie wollte ihn aufheben, aber es war kein seidener Unterrock, sondern ein großer, brauner Fleck, eine eingetrocknete Flüssigkeit, die anscheinend unter der Tür durchgesickert war. Sie knurrte ärgerlich wegen der zusätzlichen Arbeit, den Fleck zu beseitigen, und ging, Wasser und eine Bürste holen. Sie arbeitete auf Händen und Knien und stieß plötzlich gegen die Tür. Überraschenderweise bewegte sie sich. Sie drückte die Klinke und stellte fest, daß sie nicht verschlossen war.
Der Fleck widersetzte sich hartnäckig ihren Versuchen, ihn wegzuscheuern, schließlich öffnete sie die Tür, um nachzusehen, was die Ursache war. Sekunden später rannte sie schreiend die Treppe hinunter, hämmerte gegen die Tür der Parterrewohnung, um den pensionierten Buchhändler zu alarmieren, der hier wohnte. Er ging nicht nach oben, rief aber doch unter der Nummer 110 die Polizei an.
Der Anruf ging im Polizeipräsidium am Waidmarkt um 9.31 Uhr ein. Am Schauplatz des Geschehens traf ein Streifenwagen mit zwei uniformierten Polizisten ein. Einer der beiden Beamten blieb unten bei Frau Popovic, deren sich die Ehefrau des Buchhändlers angenommen hatte, während der andere nach oben ging. Er berührte nichts, ging nur durch den Korridor und schaute durch die halboffene Tür. Er gab einen Pfiff der Verblüffung von sich und ging wieder nach unten, um über den Apparat des Buchhändlers zu telefonieren. Er mußte kein Sherlock Holmes sein, um sich zu sagen, daß es sich hier um einen Fall für die Mordkommission handelte.
Seinen Vorschriften gemäß rief er als erstes den Notarzt an. Dann das Polizeipräsidium. Er schilderte kurz den Sachverhalt und ersuchte um zwei weitere Beamte. Die Nachricht ging hinauf zur Mordkommission im zehnten und elften Stockwerk des grünen, häßlichfunktionalen Betonbaus, der eine ganze Seite des Waidmarkts einnimmt. Ein Kommissar und zwei Polizeimeister wurden mit der Klärung des Falles beauftragt. Die Aufzeichnungen zeigten später, daß die Männer um 10.40 Uhr in der Wohnung in Hahnwald eintrafen, just in dem Augenblick, als der Notarzt wegfuhr.
Er hatte sich die Toten genauer angesehen als der Polizeibeamte, nach Lebenszeichen gesucht, aber sonst nichts berührt und dann die Wohnung verlassen, um seinen amtlichen Bericht abzufassen. Der Kommissar Peter Schiller begegnete dem Arzt auf den Eingangsstufen. Schiller kannte ihn.
»Und was gibt’s?« fragte er. Der Arzt hatte nicht die Aufgabe, eine Obduktion durchzuführen, sondern nur die Tatsache des Todes festzustellen.
»Zwei Leichen. Eine männliche, eine weibliche. Die eine bekleidet, die andere unbekleidet.«
»Todesursache?« fragte Schiller.
»Schußverletzungen, würde ich sagen. Die Obduktion wird es zeigen.«
»Tatzeit?«
»Ich bin nicht der Pathologe. Ein bis drei Tage, würde ich sagen. Die Totenstarre ist schon deutlich fortgeschritten. Das ist übrigens inoffiziell. Meine Arbeit ist erledigt. Ich gehe.«
Schiller ging mit einem Beamten die Treppe hinauf. Der andere versuchte, Frau Popovic und den Buchhändler zu Aussagen zu bewegen. Nachbarn begannen zusammenzuströmen. Vor dem Mietshaus
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