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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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durcharbeitete, um am Morgen fertig zu sein.
    Einmal, es mußte 1944 gewesen sein, kam der kräftige, lächelnde Mann nach Hause, hob ihn vom Boden auf und hielt den quietschenden Jungen hoch in die Luft. Dann ging er wieder fort, landete zusammen mit den alliierten Truppen an der Küste der Normandie und fiel beim Angriff auf Caen. Sam erinnerte sich, daß seine Mutter viel geweint und er versucht hatte, irgend etwas zu ihr zu sagen. Doch da ihm nichts eingefallen war, weinte er mit, obwohl er eigentlich nicht wußte, warum.
    Im Januar darauf brachte ihn seine Mutter in einer Art Vorschule unter, damit sie jeden Tag nach Croydon fahren konnte, ohne ihn in der Obhut von Tante Vi lassen zu müssen. Er fand das schade, weil Tante Vi das Süßwarengeschäft weiter unten an der Straße führte und ihm erlaubte, den naßgeleckten Finger in das Bonbonglas zu stecken. Das war in jenem Frühjahr, in dem die V-1-Raketen der Deutschen, von den Startrampen in den Niederlanden abgeschossen, in London einzuschlagen begannen. Er erinnerte sich ganz deutlich an jenen Tag, kurz vor seinem sechsten Geburtstag, als der Mann in der Uniform eines Luftschutzwarts, auf dem Kopf den Helm und an der Seite die Gasmaske, in die Vorschule gekommen war.
    Es hatte einen Luftangriff gegeben, und die Kinder hatten den Vormittag im Keller verbracht, was ihnen viel mehr Spaß machte als der Unterricht. Nach der Entwarnung waren sie wieder ins Klassenzimmer gegangen.
    Der Mann hatte sich im Flüsterton mit der Direktorin unterhalten, die dann den Jungen an der Hand genommen, ihn in ihr Wohnzimmer hinter dem Klassenzimmer geführt und ihm Kümmelkuchen zu essen gegeben hatte. Dort wartete er, sehr klein und ratlos, bis der nette Mann vom Waisenhaus kam und ihn mitnahm. Später erzählten sie ihm, daß es das Foto in dem Silberrahmen und die Aufnahme von dem kräftigen, lächelnden Mann mit den Sergeant-Streifen nicht mehr gebe.
    Er führte sich gut im Waisenhaus, bestand alle Prüfungen und trat nach dem Schulabschluß als blutjunger Soldat in die Armee ein. Als er achtzehn war, wurde er nach Malaysia versetzt, wo der nicht erklärte Dschungelkrieg zwischen den Briten und den kommunistischen Terroristen tobte. Er wurde der Nachrichtentruppe als Schreiber zugeteilt.
    Eines Tages ging er zu seinem Oberst und machte einen Vorschlag. Der Oberst, ein Karriereoffizier, sagte sofort: »Schreiben Sie das auf.« Was McCready tat.
    Die Männer von der Spionageabwehr hatten mit Hilfe einiger Malaien einen führenden Kopf der Terroristen gefangengenommen. McCready schlug vor, an die Chinesen die Nachricht durchsickern zu lassen, daß der Mann wie ein Kanarienvogel singe und an einem bestimmten Tag von Ipot nach Singapur gebracht werden solle.
    Als die Terroristen den Konvoi attackierten, zeigte sich, daß der Lastwagen, in dem sie den Gefangenen vermuteten, innen gepanzert war und Schlitze in den Wänden hatte, hinter denen sich Maschinengewehre verbargen. Als das Gefecht vorüber war, lagen sechzehn chinesische Kommunisten tot im Busch. Zwölf weitere waren schwer verwundet, und mit den übrigen räumten die malaiischen >Scouts< auf. Sam McCready blieb noch ein weiteres Jahr auf seinem Posten in Kuala Lumpur, schied dann aus der Armee aus und kehrte nach England zurück. Der Vorschlag, den er für seinen Oberst niedergeschrieben hatte, wurde zu den Akten genommen, und irgendwann mußte ihn irgend jemand aufgestöbert haben.
    Er stand gerade in der Schlange vor der Arbeitsvermittlung, als er merkte, wie ihm jemand leicht auf den Arm klopfte. Ein älterer Mann in einem Tweedjackett und mit einem weichen Filzhut auf dem Kopf schlug ihm vor, mit ihm auf ein Gläschen in das nächstgelegene Pub zu gehen. Nach zwei Wochen und drei weiteren Einstellungsgesprächen wurde er in die >Firma< aufgenommen. Seither, dreißig Jahre lang, war für ihn die >Firma< die einzige Familie gewesen, die er je gehabt hatte.
    Plötzlich hörte er, wie jemand seinen Namen nannte, und fuhr aus seinen Träumereien hoch. Es wäre eigentlich besser gewesen, aufzupassen, wies er sich zurecht. Schließlich sprechen die ja über meine eigene Karriere.
    Es war Denis Gaunt, der ein umfangreiches Dossier in den Händen hielt.
    »Ich denke, meine Herren, daß es vielleicht nützlich wäre, wenn wir uns jetzt eine Reihe von Ereignissen aus dem Jahr 1986 vornehmen, die allein schon eine nochmalige Überprüfung von Sam McCreadys vorzeitiger Pensionierung rechtfertigen könnten. Diese Reihe von

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