McCreadys Doppelspiel
Ereignissen begann, zumindest soweit es uns betrifft, an einem Frühjahrsvormittag auf dem Truppenübungsplatz der Salisbury Plain.«
Der Brautpreis
1
Nebelschleier lagen noch in der Ferne über dem Waldstück mit dem Namen Fox Covert, ein Anzeichen, daß es ein klarer, warmer Tag werden würde.
Auf der höchsten Erhebung des hügeligen Geländes, das Generationen von Soldaten als Frog Hill kannten, bezogen die Offiziere Position, um das bevorstehende Manöver zu beobachten, bei dem eine Schlacht zwischen zwei Verbänden in Bataillonsstärke simuliert werden sollte. Beide wurden von britischen Soldaten gebildet, aber aus diplomatischen Gründen waren sie nicht in die Briten und den Feind, sondern in Blaue und Grüne eingeteilt. Sogar auf die sonst übliche Bezeichnung einer Seite als die Roten hatte man aus Rücksicht auf die Zusammensetzung der Offiziersgruppe auf dem Hügel verzichtet.
Über das offene Terrain am Nordrand der Salisbury Plain, das der britischen Armee als Übungsgelände so lieb und teuer ist, weil es so stark der Norddeutschen Tiefebene ähnelt, in der nach Meinung vieler eines Tages der Dritte Weltkrieg beginnen könnte, waren Schiedsrichter verteilt, die am Schluß durch ihre Punktvergabe über den Ausgang der Schlacht entscheiden sollten. Keiner von den Soldaten würde an diesem Tag sterben. Sie würden sich nur darauf vorbereiten.
Hinter den Offizieren standen die Fahrzeuge, die sie hergebracht hatten; ein paar Dienstlimousinen und eine größere Anzahl weniger komfortabler Land Rover mit Tarnstreifen oder ganz in Dunkelgrün. Ordonnanzen von der Verpflegungstruppe bauten Feldküchen auf, die den ganzen Tag über heißen Tee und Kaffee ausgeben würden, und begannen, einen kalten Imbiß anzurichten.
Die Offiziere standen herum oder taten geschäftig, wie alle beobachtenden Offiziere überall auf der Welt. Einige studierten Landkarten in Plastikhüllen, auf denen später Notizen mit Spezialstiften angebracht und wieder gelöscht werden würden. Andere suchten mit starken Ferngläsern den Horizont ab.
Wieder andere waren in ernste Gespräche vertieft.
Im Zentrum der Gruppe stand ein ranghoher britischer General, der Befehlshaber des Oberkommandos Süd. Neben ihm sein persönlicher Gast, der ranghöchste General der Besucher. Zwischen und etwas hinter ihnen ein intelligenter junger Subaltern-Offizier, der erst vor kurzem die Sprachenschule absolviert hatte und mit leiser Stimme dolmetschte, was die beiden einander zu sagen hatten.
Die britische Offiziersgruppe war mit gut dreißig Mann die größere. Sie gaben sich alle ernst und gesetzt, wie um zu zeigen, daß sie sich durchaus bewußt waren, wie ungewöhnlich und wichtig diese Veranstaltung war. Sie wirkten ein wenig mißtrauisch und vorsichtig, so als könnten sie eine in vielen Jahren gefestigte Gewohnheit nicht einfach abschütteln. Denn dies war das erste Jahr der Perestroika, und man hatte zwar schon früher sowjetische Offiziere als Beobachter zu britischen Manövern in Deutschland eingeladen, doch dies war das erste Mal, daß sie als Gäste der britischen Armee mitten ins Herz von England gekommen waren. Alte Gewohnheiten haben ein zähes Leben.
Die Russen waren genauso ernst wie die Briten, oder vielleicht noch ernster. Es waren siebzehn, und jeder einzelne war sorgfältig ausgewählt und überprüft worden. Einige sprachen ganz passabel Englisch und gaben es zu. Fünf sprachen perfekt Englisch und gaben vor, es nicht zu beherrschen.
Englische Sprachkenntnisse waren jedoch bei der Auswahl der Teilnehmer nicht ausschlaggebend gewesen. Man hatte vor allem auf fachliche Kompetenz geachtet. Jeder der sowjetischen Offiziere war Experte auf seinem Gebiet und mit Taktik, Waffen und Befehlsstrukturen der britischen Armee bestens vertraut. Ihre Instruktion lautete nicht einfach nur, sich anzuhören, was man ihnen sagte, geschweige denn, es für bare Münze zu nehmen, sondern die Augen offenzuhalten, sich nichts entgehen zu lassen und zu Hause zu berichten, wie gut die Briten waren, welches Gerät sie einsetzten, wie sie es einsetzten und wo ihre Schwächen lagen, falls sie überhaupt welche hatten.
Sie waren am Abend zuvor eingetroffen, nach einem Tag in London, den sie zum größten Teil in ihrer eigenen Botschaft verbracht hatten. Das erste Abendessen im Offizierskasino auf dem Armee-Stützpunkt Tidworth war ziemlich formell verlaufen, fast ein bißchen verkrampft, aber ohne Zwischenfall. Die Witze und die Lieder würden
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