McCreadys Doppelspiel
Handbuch hervor. Hammer und Sichel waren in Gold auf den Plastikeinband geprägt. Morenz hatte die Krawatte gelockert, und sein Hemd stand offen. An einem Stück Bindfaden um seinen Hals hing ein Schlüssel. McCready nahm das Buch.
»Ich habe Durst, Sam.«
McCready hielt ihm einen kleinen, silbernen Flachmann hin, den er aus seiner Gesäßtasche gezogen hatte. Morenz trank gierig den Whisky. McCready schaute durch den Spalt nach draußen. Die Soldaten hatten die Durchsuchung von Ober-Grünstedt abgeschlossen. Ein paar näherten sich auf der kleinen Straße, andere schwärmten fächerförmig über die Felder aus.
»Ich werde hier bleiben, Sam«, sagte Morenz.
»Ja«, sagte McCready, »das sollen Sie auch. Leben Sie wohl, mein alter Freund. Schlafen Sie gut. Jetzt wird Ihnen nie mehr jemand weh tun.«
»Nie mehr«, murmelte Morenz und schlief ein. McCready zog ihm behutsam den Bindfaden mit dem Schlüssel über den Kopf, verstaute das Buch in seiner Tragetasche, flitzte die Leiter hinunter und setzte sich in das nächste Maisfeld ab. Minuten später schloß sich der Ring. Es war Mittag.
Zwölf Stunden vergingen, bis er wieder die riesige Kiefer an der Grenze nahe dem Dorf Ellrich erreichte. Er zog den Kittel über und wartete unter dem Baum bis halb vier Uhr. Dann ließ er in Richtung auf den weißen Felsen jenseits der Grenze seine Mini-Taschenlampe dreimal aufblinken, schob sich unter dem Drahtverhau durch und robbte durch das Minenfeld und den gepflügten Todesstreifen. Am Zaun erwartete ihn Siegfried.
Auf der Rückfahrt nach Goslar inspizierte er den Schlüssel, den er Bruno Morenz abgenommen hatte. Er war aus Stahl und auf der Rückseite war »Flughafen Köln« eingraviert. Er verabschiedete sich nach einem kräftigen Frühstück von Kurzlinger und Siegfried und fuhr los, nicht nach Norden, Richtung Hannover, sondern nach Südwesten.
Um ein Uhr an diesem Samstagnachmittag begrüßten die Soldaten Oberst Voß, der zusammen mit einer Dame in Zivil in einem Stabswagen eintraf. Die beiden stiegen die Leiter hinauf und sahen sich die Leiche im Heu an. Obwohl eine gründliche Suchaktion durchgeführt und der Heuschober beinahe auseinandergenommen wurde, fanden sie nichts Schriftliches, geschweige denn ein dickes Buch. Aber sie wußten ja ohnehin nicht, wonach sie suchen sollten.
Ein Soldat zog dem Toten mit viel Kraftaufwand einen kleinen, silbernen Flachmann aus der erstarrten Hand und reichte ihn Oberst Voß. Er schnüffelte daran und murmelte: »Zyankali.« Majorin Wanawskaja nahm ihn Voß aus der Hand und drehte ihn um. Auf der Rückseite stand >Harrods London<. Sie gab einen sehr undamenhaften Kraftausdruck von sich. Für Oberst Voß hörte er sich wie >leg doch deine eigene Mutter um< an.
Sonntag
Gegen Mittag erreichte McCready den Kölner Flughafen. Es blieb noch reichlich Zeit bis zum Abflug seiner Maschine um 13.00 Uhr. Er tauschte sein Ticket Hannover-London gegen eines von Köln nach London um, checkte ein und spazierte dann zu den stählernen Schließfächern in der Abflughalle. Er holte den Schlüssel heraus und steckte ihn ins Schloß des Schließfaches Nr. 47. Darin befand sich eine schwarze Leinentasche. Er nahm sie heraus.
»Ich denke, die Tasche nehme ich an mich. Danke, Mr. McCready.«
Er drehte sich um. Der stellvertretende Chef des BND. Zwei kräftige Herren hatten in respektvollem Abstand Stellung bezogen.
Der eine betrachtete seine Fingernägel, der andere die Decke, als hielte er nach Rissen Ausschau.
»Das ist aber nett, Sie wiederzusehen, Herr Dr. Herrmann. Was führt Sie denn nach Köln?«
»Die Tasche. wenn ich bitten darf, Mr. McCready.« McCready reichte sie ihm, Herrmann gab sie an einen seiner Begleiter weiter. Er konnte es sich leisten, freundlich zu sein.
»Kommen Sie, Mr. McCready. Wir Deutschen sind ein gastfreundliches Volk. Lassen Sie sich von mir zu Ihrer Maschine begleiten. Sie möchten sie doch nicht verpassen.« Sie gingen auf die Paßkontrolle zu. »Ein bestimmter Kollege von mir. «
»Er wird nicht zurückkommen, Herr Dr. Herrmann.«
»Ach, der Arme. Aber vielleicht ist es ganz gut so.« Sie erreichten die Paßkontrolle. Dr. Herrmann zog eine Karte heraus, hielt sie den Paßbeamten hin, und sie konnten durchgehen. Als die Fluggäste in die Maschine stiegen, wurde McCready von Dr. Herrmann zur Tür des Flugzeugs gebracht.
»Mr. McCready.«
Er drehte sich unter der Tür um. Dr. Herrmann lächelte endlich.
»Wir verstehen uns auch darauf, den
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