McJesus
Erstklässlerfibel aus. Schuld daran ist Papst Pius IX., der auf die Idee gekommen war, dass die Lehren, Edikte und Bullen aus päpstlicher Hand unfehlbar sind. Problematisch wird es für die Kirche, wenn ein Papst etwas erlässt, das einer von einem früheren Papst erlassenen Doktrin widerspricht. Da sich Unfehlbarkeit nicht anzweifeln lässt und die Kirche moralischen Relativismus nicht zulassen kann, sind ihre Theologen ständig damit beschäftigt, Unvereinbarkeiten zu verschleiern – gewöhnlich auf Lateinisch. Heraus kommt ein Glaubenssystem, das, wenn man sich einigermaßen kundig macht, nicht mehr vertretbar ist. Glücklicherweise hat der Glaube auf so festem Grund gebaut, dass ihn auch die größte theologische Stümperei nicht erschüttern kann. Solange man sich nicht zu weit von den Zehn Geboten und der guten alten Bergpredigt entfernt, braucht man es nicht auf eine Kraftprobe mit dem Kardinalskollegium und eine Exkommunikation ankommen zu lassen.
Schwester Peg glaubte an Gott und Seine Güte. Das hieß nicht, dass sie nie zweifelte, denn schließlich war sie auch nur ein Mensch. Manchmal stellte sie fest, dass sie sich beim Beten häufiger für die schlimmen Dinge bedankte, die nicht passiert waren, als für die guten, die ihr widerfahren waren. Aber sie betete jeden Tag, tagsüber während sie arbeitete und nachts auf den Knien, und hoffte, dass ihre Gebete eines Tages erhört würden.
»Gütiger Vater«, fuhr Schwester Peg fort, »ich bitte Dich, erlöse Alissa von ihren Qualen und öffne ihr Herz für die Liebe und die Hoffnung, die Du uns allen geschenkt hast …«
Der Gerechte kann ebenso beten wie der Sünder (obwohl es wegen der Sünder einen Meinungsstreit gab, bis Papst Klemens XI. die Sache klärte, indem er die diesbezüglichen Überlegungen des französischen Theologen Pasquier Quesnel als ketzerisch verurteilte. Die Kirche sagt, in der Hölle zu beten sei unmöglich und außerdem sei es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät).
»Zeig mir den Weg, um meine irdischen Pflichten zu erfüllen, die ich mir auferlegt habe, um Dir besser zu dienen …«
Es gibt einige Bedingungen, die ein Beter erfüllen muss. Der Gegenstand des Gebets muss Gott würdig sein. Der Beter muss gläubig und bescheiden sein. Aufrichtigkeit ist ein Muss. Ernst und Inbrunst sind ebenfalls wichtig, denn eine lauwarm vorgetragene Bitte ist nicht überzeugend. Der Betende muss im positiven Sinne gottergeben sein. Und er muss bei der Sache sein. Aufmerksamkeit, heißt es, sei von entscheidender Bedeutung. Sobald sie nachlässt, verflacht auch das Gebet. Es gibt gesprochene Gebete und stille Gebete; worin sie sich unterscheiden, erklärt sich von selbst. Die Haltung spielt ebenfalls eine Rolle, auch wenn man sich schwer vorstellen kann, dass Gott über so etwas richtet. Dennoch ist es notwendig, beim Beten auch nach außen hin Ehrfurcht und ordentliches Betragen zu zeigen. Mit anderen Worten: Das Erscheinungsbild ist wichtig. Image ist beinahe alles – sogar beim Beten.
Im Großen und Ganzen erfüllte Schwester Peg die Bedingungen, um zu beten. Sie hatte alles, vom prinzipiell vorausgesetzten Glauben an Gott und der Hoffnung auf Seine Güte bis zur richtigen Haltung und der gebündelten Aufmerksamkeit. Sie meinte jedes Wort, das sie sagte: »Vater im Himmel, bitte, segne alle, deren Weg an die Tür dieses bescheidenen Hauses führte, und vergib allen, die die Arbeit behindern, die ich in Deinem Namen tue, besonders den verlorenen Seelen von Mr. Sturholm und Mr. Churchill.« Schwester Peg blickte zu ihrem leidenden Christus empor. Sie zögerte, bevor sie fortfuhr, weil sie nicht eigennützig sein wollte. »Schließlich, Herr, bitte ich Dich: Finde Pater Michael und bringe ihn zu uns zurück. Wir könnten seine Hilfe wirklich brauchen. Ich bitte Dich in aller Bescheidenheit darum im Namen Deines Sohnes, unseres Erlösers Jesus Christus. Amen.«
Dan erkannte, dass sein Wunsch, vierzigtausend Dollar auszugeben, um seinen Bruder in ein Erdloch zu legen, nicht von Liebe diktiert war, sondern von der Tatsache, dass er ein gut erzogener Konsument war. Teufel, er hatte die vergangenen fünfzehn Jahre damit verbracht, andere zu Konsumenten zu erziehen. »Wenn Sie wirklich das Beste wollen …« Was konnte das anderes bedeuten, als dass man nicht das Beste wollte, wenn man nicht das Teuerste kaufte? Es bedeutete, wenn du nicht das Allerbeste für deine liebe Freundin oder deinen lieben Mann kaufst, würden er oder sie
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