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Mea culpa

Mea culpa

Titel: Mea culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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urteilen.«
    Der italienische Schuhkarton sperrt sich, der Deckel will nicht geschlossen bleiben, die Seiten lösen sich langsam voneinander, und ich brauche Klebeband, bringe es aber nicht über mich, aufzustehen, ich bin bleischwer, und der Boden hält mich fest, fest, und ich kann gerade noch den Kopf über meinen Schoß beugen, über die kühle Pappe, die fast schon in Auflösung übergegangen ist, und plötzlich und ohne es zu wollen, fange ich an zu weinen.
    Asha bleibt die ganze Nacht bei mir sitzen, und sie fragt nicht einmal, ob ich meine Geschichte gegen ihre tauschen will.
40
    »PENG!«
    Die Tür wurde so hart zugeschlagen, dass sie fast aus den Angeln gesprungen wäre.
    »Benedicte! Benedicte! «
    Rebecca war wütend und riss die Tür auf.
    »Lauf gefälligst nicht weg, wenn ich mit dir rede. Hörst du!«
    »Ich bin achtzehn. Ich mache, was ich will!«
    Synne hörte ihre Stimme, trotzig, aber mit einem Hauch von Unterwerfung. Synne wusste, dass sie bald zurückkehren würde, sich aufs Sofa setzen, in die Luft starren und die Ungerechtigkeit der Welt ganz allgemein vorführen würde, dazu aber auch die Tatsache, dass Rebecca ihr ihren Wagen nicht geben wollte.
    Synne hatte sich vor sehr langer Zeit einmal gewaltig geirrt, nämlich als Benedicte elf Jahre alt gewesen war und mit ihren Eltern in einer Villa ganz oben am Holmenkollen gewohnt hatte, damals, als alles anders gewesen war und Synne angenommen hatte, dass Benedicte später nicht hübsch werden würde. Die Teenagerjahre hatten ihr ein spannendes Aussehen geschenkt, dunkel, mit großen schwarzen Augen, und sie war den Ekzemen entwachsen, wie die Ärzte das versprochen hatten. Sie zog sich originell an, zumeist in Kleidern aus dem Laden der Heilsarmee, sie hatte sehr viel Farbsinn und ein Gespür für alles, was mit Ästhetik zu tun hatte; Benedicte Schultz mauserte sich langsam zu einer kleinen Künstlerin. Sie hatte auf dem Gymnasium einen Theater-Leistungskurs belegt und würde vom Herbst an die Schauspielschule besuchen.
    »Sie kann meinen Wagen haben«, sagte Synne hinter der Abendzeitung. »Das ist doch kein Problem. Sie kann ihn haben.«
    »Es geht darum, dass sie heute Abend überhaupt kein Auto haben soll«, protestierte Rebecca. »Sie weiß genau, dass sie kein Auto bekommt, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigt.«
    Aber Benedicte hatte jetzt eine Verbündete. Sie starrte Synne an, überlegte, lächelte kurz, war jedoch noch nicht bereit zum Einlenken. »Synne ist ja sowieso fast die ganze Zeit hier«, sagte sie, ruhiger jetzt; sie ahnte, dass sie bald in einem schöneren Wagen losfahren würde, als ihre Mutter ihn hatte, in einem Sportmodell, einem alten MG Cabriolet. »Da kann ich ja auch ihr Auto nehmen.«
    »Sie ist nicht die ganze Zeit hier«, sagte Rebecca wütend. »Sie ist höchstens einmal die Woche hier, und sie ist immer herzlich willkommen. Klar?«
    »Klar. Und ich kann heute Abend ihr Auto leihen.«
    Martin kam ins Zimmer, er ging jetzt aufs Gymnasium und hatte Pickel und dunkle Haare auf der Oberlippe.
    »Wenn du Synnes Auto leihen kannst, dann hast du ein Schweineglück. Wir haben gestern damit geübt.«
    Er lächelte Synne an, fuhr ihr durch die Haare, sie schlug mit der Zeitung nach ihm, und die beiden fingen einen Boxkampf an, lachend, bis er sie richtig traf und erschrocken die Hände hob:
    »Verzeihung, Synne. Hab ich dir weh getan?«
    »Gar nicht«, sagte Synne, rieb sich aber ihr brennendes Ohr. »Wir hören jetzt auf, Rebecca. Benedicte nimmt mein Auto, und die Küche putzt sie dann morgen.«
    »Bitte, Mama!«
    Die erwachsene Achtzehnjährige war verschwunden, und ein kleines Mädchen bettelte auf den Knien.
    »Nein, kommt nicht in Frage. Du bleibst zu Hause«, erklärte Rebecca.
    Das Mädchen explodierte.
    Die dunkelbraunen Haare umwogten ihren Kopf wie eine Wolke und gerieten zwischen die Zipfel der vier Halstücher, die sie zerschnitten und locker um ihren Hals geflochten hatte; sie fauchte, ihr Speichel flog über den Wohnzimmertisch, und sie starrte ihrer Mutter in die Augen.
    »Du Scheiß … du Scheiß lesbische Nutte! «
    Synne sah Martin an, hielt Martins Augen krampfhaft fest, presste die Hände zusammen und durfte nicht, wollte nicht loslassen.
    Rebecca war erstarrt, sie stand wie eine Schaufensterpuppe mit einem Putzlappen in den Händen da, den Lappen halb erhoben.
    Martin ließ los und starrte nach unten. Synne sprang auf, ohne es zu wollen, ohne nachzudenken, sie schoss aus ihrem Sessel hoch und ragte

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