Meade Glenn
weiß genau, was Rashid sagen würde. Er wird tun, was er tun muss. Was notwendig ist. Er würde dich fragen, wann sich die Amerikaner je um die Araber und das islamische Volk geschert haben. Und damit hat er ganz Recht. Die Amerikaner müssen immer wieder ihre Macht beweisen und sich als Weltpolizei aufspielen. Sie sprechen gerne über Gerechtigkeit, doch das ist ihre eigene Vorstellung von Gerechtigkeit. Ihnen geht es ausschließlich darum, ihre Macht zu stärken und ihre Interessen zu wahren. Sie interessieren sich nur für die arabische Welt, wenn es ihnen passt. Sie stationieren ihre Streitkräfte am Golf, um ihre wertvollen Öllieferungen zu schützen. Aus ebendiesem Grunde fallen sie in Kuwait ein, wenn ihre Lieferungen bedroht werden.
Sie haben dein Heimatland Palästina ausbluten lassen. Und wer kann die Invasion in den Libanon vergessen, als die Amerikaner tatenlos zugesehen haben, wie Israelis und die christliche libanesische Miliz fast achtzehntausend Menschen deines Volkes in knapp zwei Monaten abschlachteten? Und was haben die Amerikaner unternommen, als die Russen in Tschetschenien einfielen? Rashid würde dir erklären, dass wir diese Zustände durch unsere Operation ein für alle Mal ändern.«
»Und du bist mit allem, was Rashid und seine Freunde machen und sagen, einverstanden?«
Gorev schüttelte den Kopf. »Nein, Karla. Meinst du, mir gefällt es, wenn die Bombe hochgeht und Unschuldige verletzt oder getötet werden? Der Gedanke ist mir fast unerträglich.
Aber ich habe gelernt, dass man Gerechtigkeit mitunter nur durch Gewalt erreichen kann.«
»Und wenn wir die Bombe zünden müssen?«
Gorev schaute seufzend aufs Meer. »Wenn der amerikanische Präsident auf die Forderungen eingeht, wird es keine Notwendigkeit dazu geben. Ihm sind die Bedingungen und die Konsequenzen bekannt. Es liegt also in seiner und nicht in unserer Hand, Karla. Aber eines ist sicher: Wenn er versucht, Rashid und seine Freunde auszutricksen oder ein falsches Spiel mit ihnen zu treiben, wird er dafür bezahlen.« Er stand abrupt auf, als wolle er das Gespräch beenden, und reichte ihr die Hand. »Komm, wir gehen. Zeit, unseren Freund Visto zu treffen.«
25
Washington, D.C.
12. November, 10.25 Uhr
Stadtkundige wissen, dass die 14.Street das Rotlichtviertel Washingtons ist. Eine heruntergekommene Straße mit Burger-und Pizzabuden, Lap-Dancing-Bars und Striptease-Lokalen.
Einer dieser Orte, an denen man für Geld alles bekommt.
Nahe der Kreuzung der 14. und der K-Street begaben sich an diesem Montagmorgen inmitten des Verkehrs und des Mülls zwei Transvestiten, die kurze Lederröcke und hochhackige Schuhe trugen, auf Kundenfang. In einer Häusernische in der Nähe steckten zwei verwahrloste Junkies einem geschäftigen Crack-Dealer Zwanzig-Dollar-Scheine zu.
Vier Stockwerke höher stand Benny Visto in seiner warmen Penthouse-Wohnung am Fenster und verfolgte das Treiben auf der Straße, wie einst Kaiser Nero die Geschehnisse in Rom beobachtet haben mochte. Es war der Blick eines stolzen Besitzers, dem all das gehörte, nur dass Visto eine dunkle Ray Ban trug und eine Marlboro rauchte. Er inhalierte den warmen, wohlschmeckenden Tabak tief in seine fünfunddreißig Jahre alten Lungen.
In dem weißen Hausmantel, mit dem ordentlich gebundenen grauen Seidenschal, der goldenen Halskette und dem Diamantring im Ohr war Visto eine beeindruckende Erscheinung. Der dunkelhäutige Mischling kolumbianischer Abstammung sah mit seiner gebrochenen Nase wie ein echter Mafiaboss aus. Eine nähere Betrachtung enthüllte ein weniger schmeichelhaftes Bild. Verbrechen und Ausschweifungen hatten auf Vistos fleischigem Körper und in seinem arroganten Gesicht ihre Spuren hinterlassen. Heute Morgen spiegelte sich auf seinem Gesicht Wut. Visto ärge rte sich über Gott und die Welt und hatte eine abscheuliche Laune.
Gestern Abend um elf Uhr hatte die Polizei in einem seiner Geschäfte, einem gut gehenden Bordell auf der K Straße, eine Razzia durchgeführt. Die Gefahr seiner Verhaftung bestand nicht. Dafür wurde der Strohmann bezahlt. Viel schwer wiegender waren der Verlust der zwölf Riesen, die die Bullen aus dem Safe des Büros konfisziert hatten, die Einbußen eines einträglichen Geschäfts und der verdammte Ärger, den eine solche Razzia mit sich brachte.
Laute Rap-Musik drang an sein Ohr, als die Küchentür hinter ihm geöffnet wurde und ein Mädchen mit einer Tasse dampfendem Kaffee eintrat. Es stammte aus Puerto Rico und war
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