Meade Glenn
Dusche, zieh mir frische Sachen an und ruh mich ein paar Stunden aus. Dann mach ich mich wieder an die Arbeit. Wir haben noch achtund zwanzig Stunden Zeit, um den Fall zu lösen. Vielleicht gibt es gar keine Hoffnung mehr, Rashid, Gorev und die Frau rechtzeitig zu finden. Ich mach mir keine großen Illusionen.
Trotzdem müssen wir bis zum Ende der Frist alles tun, was in unserer Macht steht. Helfen Sie uns, Kur sk?«
»Ja.« Kursk nickte. »Was ist mit Ihren Verletzungen?«
»Ich kann gehen und sprechen. Das muss reichen. Gebt mir zehn Minuten, dann treffen wir uns unten vor dem Eingang.«
»Bist du sicher, Jack?«, fragte Morgan.
»In zehn Minuten unten.«
Kursk und Morga n fuhren mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss.
Als sie unten ankamen, sagte Kursk: »Ich gehe schnell zur Toilette.«
»Kein Problem. Ich hol schon mal den Wagen. Wir treffen uns draußen.« Morgan ging hinaus.
Kursk erkundigte sich an der Rezeption und lief durch die Gänge, bis er die Toiletten fand. Vor der Tür blieb er stehen. Er zögerte, aber er wusste, dass er es tun musste. Zwei Sekunden später zog er sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der russischen Botschaft in Washington, die ihm sein Chef gegeben hatte.
Collins stand vor der Glasscheibe der Intensivstation. Nikki schlief. Zwei Krankenschwestern kümmerten sich um sie. Ihr Kopf war verbunden, und über die linke Gesichtshälfte zog sich ein riesiger Bluterguss. Der linke Arm war mit einem Infusio nsschlauch verbunden. Collins ballte die rechte Hand zur Faust und atmete mehrmals tief durch.
Daniel lag in einem anderen Zimmer rechts auf dem Gang.
Ein Vorhang verdeckte die Hälfte des Bettes. Der Anblick des kleinen Jungen erschütterte ihn zutiefst. Daniel war an mehrere Infusionen und Kontrollgeräte angeschlossen. Dicke Verbände waren um seine Brust und seinen Bauch gewickelt. Das ganze Gesicht war mit Schnittwunden und Blutergüssen übersät. Auf seinem Mund lag eine Atemmaske. Er hatte die Augen geschlossen, und der kleine Brustkorb hob sich fast unmerklich beim Atmen.
Collins spürte seine Ohnmacht, dem Kleinen nicht helfen zu können. Er war noch nicht einmal in der Lage zu beten. Die Erinnerung an Sean und seine Hilflosigkeit, nichts für seinen Sohn, der tausende von Kilometer entfernt gestorben war, tun zu können, kehrte zurück. Tränen stiegen ihm in die Augen, und er fing hemmungslos an zu schluchzen.
Als die Tränen versiegten, atmete er mehrmals tief durch und beruhigte sich allmählich. Zwei Dinge wusste er ganz genau: Daniel musste überleben, damit Nikki die unerträgliche Qual, ihr eigenes Kind sterben zu sehen, erspart blieb. Und die Menschen, die das getan hatten, mussten um jeden Preis zur Rechenschaft gezogen werden. Seine Rachsucht, Mohamed Rashid und die anderen büßen zu lassen, war so stark, dass er Angst bekam. Zwei Minuten später fuhr er mit dem Aufzug nach unten und verließ das Krankenhaus.
56
Washington, D. C.
13. November 7.35 Uhr
Wie konnten die dreihunderttausend Leichen beseitigt werden?
Patrick Todd O’Brien studierte die Karte von Washington und dachte über diese Frage nach. Ihm kam der Gedanke, die ganze Hauptstadt zuzuschütten und den Toten auf diese Weise ein Mahnmal zu errichten. Wahrscheinlich war es keine so gute Idee, die Metropole in ein riesiges Mausoleum zu verwandeln.
Washington war eine nationale Ikone, eine Stadt von großer historischer und politischer Bedeutung, die man nicht einfach zuschütten konnte.
Die Katastrophe würde noch weitere Probleme nach sich ziehen. Das gesamte Zentrum Washingtons einschließlich hunderter berühmter historischer Gebäude und Denkmäler musste sorgfältig gereinigt und dekontaminiert werden. O’Brien erschauerte, als er an die ungeheueren Kosten dachte. Die Aufräumarbeiten und die Säuberung der Stadt würden Milliarden von Dollar verschlingen. Aber zuerst musste er das Problem der Leichenbeseitigung lösen.
Dreihunderttausend kontaminierte Leichen mussten schnellstens weggeschafft werden, damit keine Epidemien wie Pest, Cholera oder Typhus ausbrachen. Dazu bedurfte es einer Vielzahl von Transportern und unzähliger Leichensäcke.
O’Brien strich mit dem Finger über die Landkarte. Er berührte Boston im Norden, Baltimore und Philadelphia im Osten und die Chesapeake Bay im Süden. Die Leichen mussten weit entfernt von den Großstädten aufs freie Land geschafft werden.
Und dann? Es war vermutlich keine gute Idee, die Leichenberge zu verbrennen. Die
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