Meade Glenn
Dutzend Agenten aus New York wurden auf die alte Adresse in Queens angesetzt, um eventuell Freunde oder Verwandte aufzuspüren. Ich hab’ keine große Hoffnung.
Sie ist sicher clever genug, um keine alten Kontakte aufzunehmen. Es sei denn, sie steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten und ihr bleibt keine andere Wahl. Falls wir Freunde oder Verwandte finden, werden sie ab sofort beschattet.« Murphy seufzte. »Sonst haben wir nichts.«
Morgan kam zurück, und kurz darauf ließen die beiden Kollegen Collins allein. Es war schwierig, terroristische Zellen zu entlarven, und die Chancen waren umso geringer, je kleiner sie waren. Entweder löste man einen derartigen Fall innerhalb von Tagen, oder es dauerte Wochen oder sogar Monate. Ihnen standen nur noch achtundzwanzig Stunden zur Verfügung.
Die Situation war so aussichtslos und seine Sorge um Nikki und Daniel so unerträglich, dass er fast in Tränen ausbrach. Er fragte sich, was für ein Mensch mitten in der Stadt ein Selbstmordattentat verübte. Wer brachte unschuldige Menschen um und verletzte eine wehrlose Frau wie Nikki und einen hilflosen, dreijährigen Jungen wie Daniel, um seine Ziele durchzusetzen? Die Antwort auf diese Frage kannte er nur allzu gut. Abgebrühte, brutale Menschen, die Sean getötet hatten. Als ihn die Erinnerung an den Verlust seiner Lieben überwältigte und die Wunde erneut aufbrach, konnte er seine Wut kaum noch zügeln. Collins sah die zerschnittenen, blutüberströmten Gesichter von Nikki und Daniel vor Augen. Er sah die Gesichter von Sean und Annie und erinnerte sich an ihre Qualen, bevor der Tod sie erlöste. Als er an die Sinnlosigkeit ihres Todes dachte, stiegen ihm Tränen in die Augen. In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und ein Arzt in einem grünen, blutbefleckten Kittel und in grünen Stiefeln betrat das Zimmer.
Er war höchstens fünfunddreißig Jahre alt und unrasiert. Auf einem kleinen Schild, das auf Brusthöhe an seinem Kittel befestigt war, stand: Dr. Bill Wolensa. Collins versuchte aufzustehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Der Arzt setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand.
»Mein Name ist Bill Wolensa. Ich habe Nikki und Daniel versorgt,«, erklärte er nüchtern. Der Arzt war vollkommen überarbeitet und stand kurz vor dem Zusammenbruch. »Okay, machen wir es kurz. Nikki geht es soweit gut. Ihr linker Unterarm ist aufgerissen, mehrere tiefe Schnitte in den Beinen, Blutergüsse und Schnitte im Kopfbereich. Sie hat wie Sie eine leichte Gehirnerschütterung erlitten. Aufgrund der Computertomographie konnten wir feststellen, dass sie keine Hirn- und Schädelverletzungen hat. Es besteht also kein Grund zur Sorge.«
Collins atmete erleichtert auf. Nikki war mit einem blauen Auge davongekommen. »Werden Schäden zurückbleiben?«
»Ich glaube nicht. Die Schnitte und Wunden wurden gut versorgt und werden heilen. Im Moment schläft sie, aber in ein oder zwei Tagen wird sie wieder auf den Beinen sein und kann entlassen werden.«
Collins nickte. Er hatte Angst, die nächste Frage zu stellen.
Der Arzt seufzte, und das verhieß sicher nichts Gutes. Jetzt kommen die schlechten Nachrichten, schoss es Collins durch den Kopf.
»Ihren Sohn hat es leider sehr böse erwischt.«
Collins schluckte. Er hatte das Gefühl, als ob eine Stahlkralle seinen Magen umklammerte. »Wie böse?«
»Durch die gewaltige Druckwelle der Explosion wurde er durch die Luft geschleudert und zu Boden geworfen. Gerade kleine Kinder sind aufgrund ihres geringen Körpergewichts bei Explosionen stärker als Erwachsene gefährdet. Daniel ist mit der Brust auf Holz oder Metall aufgeschlagen. Alle Rippen auf der rechten Seite und ein paar auf der linken Seite sind gebrochen.
Er kann nicht selbstständig atmen und ist an ein Atemgerät angeschlossen. Bei den Untersuchungen wurden ernstha fte innere Verletzungen und starke innere Blutungen festgestellt.
Seine Milz und der Dickdarm wurden so stark verletzt, dass wir ihn sofort operieren mussten. Wir haben zwanzig Zentimeter des Darms und einen Teil der Milz entfernt, obwohl wir sie eigentlich hätten vollständig entfernen müssen.«
»Warum?«
»Nachdem er hier eingeliefert wurde, setzte seine Atmung aus. Vermutlich aufgrund des hohen Blutverlustes. Wir konnten ihn reanimieren, die Blutung stoppen und mit Blut versorgen. Er wurde stabilisiert, aber er ist sehr schwach und sein Zustand kritisch. Eine so große Operation wie die Entfernung der ganzen Milz würde er
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