Meade Glenn
schüttelte seufzend den Kopf. »Vielleicht können Sie später ein paar Minuten durch die Scheibe in sein Zimmer sehen. Glauben Sie mir, Ihr Sohn ist in guten Händen. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.«
Nikki war wie benommen. Die Sorge um ihren Sohn war unerträglich. Wolensa legte eine Hand auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen. »Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden.
Ich muss mich um die anderen Patienten kümmern.«
Als er gegangen war, sackte Nikki auf dem Stuhl zusammen.
Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren Sohn in die Arme zu schließen und an sich zu drücken. Die Angst um Daniel bohrte sich wie ein Pfeil in ihr Herz. Jetzt konnte sie nachempfinden, was Jack nach dem Tod seines Sohnes durchgemacht hatte. Am liebsten hätte sie ihren Kummer laut hinausgeschrien.
Wie ging es Jack? Warum hatte er auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlassen? Wo war er hingegangen? Sie durchstöberte den Schrank neben dem Bett auf der Suche nach ihrem Handy und ihrer Kleidung, aber der Schrank war leer.
Nikki war verzweifelt. Hier in dieser Stadt ging es nicht mit rechten Dingen zu, und die Bürger hatten ein Recht darauf, das zu erfahren. Sie wollte mit ihrer Redaktion telefonieren, und sie musste ihre Mutter über Daniels Besorgnis erregenden Zustand informieren.
Nikki versuchte, sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie erinnerte sich an die Militärtransporter am Reagan Airport und die Soldaten vor der Lagerhalle gegenüber von Daniels Vorschule. Sie erinnerte sich an die Übung der Polizei und Brad Stelmans Verdacht, beschattet zu werden. An die Angst, die diese seltsamen Geschehnisse in der Hauptstadt ihr einflößten. Sie erinnerte sich an Jacks irritierten Blick, als sie ihn danach gefragt hatte. Vor allem erinnerte sie sich an die entsetzliche Explosion. Zwischen all diesen seltsamen Dingen musste es einen Zusammenhang geben. Aber welchen?
Nikki dachte: Ich muss mit jemandem darüber sprechen.
Wenn sie ihr Handy finden würde, könnte sie ihren Chef anrufen, ihm sagen, was sie wusste, und ihn bitten, der Sache nachzugehen. Und sobald die Journalisten dem Geheimnis auf die Spur gekommen waren, könnte die Post die Bürger informieren. Sie sah die Schlagzeilen schon im Geiste vor sich.
Nikki war ganz aufgeregt, als die Krankenschwester ins Zimmer kam und darauf bestand, dass sie sich ins Bett legte.
»Ich brauche mein Handy. Ich muss telefonieren«, bettelte Nikki.«
»Ich werde es suchen. Jetzt legen Sie sich zuerst einmal ins Bett, sonst bekommen Sie großen Ärger mit mir.« Die Krankenschwester führte sie zum Bett. »Ihre Mutter hat angerufen. Sie ist auf dem Weg hierher. Im Moment kann sie nicht zu Ihnen. Der Arzt hat jeglichen Besuch untersagt. Es würde Sie nur aufregen. Ich gebe Ihnen ein Beruhigungsmittel, damit Sie schlafen können.« Die Krankenschwester gab ihr zwei gelbe Tabletten und ein Glas Wasser. Kurz darauf spürte Nikki die Wirkung des Beruhigungsmittels. Sie schloss die Augen und überließ sich dem heilsamen Schlaf.
62
Chesapeake
18.30 Uhr
In Winston Bay regnete es noch immer in Strömen. Rashid war ausgeflogen. Der Plymouth stand nicht in der Garage. Gorev warf ein paar Scheite ins Feuer, knüllte eine alte Zeitung zusammen und zündete sie an. Als die Scheite Feuer fingen, zog er seine Lederklamotten aus und legte sie zum Trocknen auf einen Stuhl.
»Schön, dass wir das Haus für uns allein haben.« Er zog sein Hemd aus und wechselte mit Karlas Hilfe den Verband. Bevor sie den neuen Verband anlegte, überprüfte Gorev die Wunde.
»Die Nähte haben gehalten, und die Wunde hat nicht geblutet.
Sie wird verheilen.«
»Hast du noch Schmerzen?«
»Kaum.« Gorev lächelte. »Ein Drink könnte trotzdem nicht schaden.«
Karla warf den alten Verband ins Feuer und ging anschließend in die Küche. Sie kehrte mit der Wodkaflasche und zwei Gläsern zurück und stellte alles auf den Couchtisch.
Anschließend schaltete sie den Fernseher ein und zappte mit der Fernbedienung durch die Kanäle.
»Was suchst du?«, fragte Gorev.
»Nachrichten über die Explosion.«
»Mach dich nicht verrückt, Karla.«
Der CNN-Nachrichtensender berichtete live vom Unglücksort. Ein Reporter stand mit einem Mikrofon hinter der Absperrung am Ende der 10. Straße und informierte detailliert über die Schäden an Menschen und Gebäuden.
Gorev goss den Wodka in die Gläser und warf Karla, die auf den Fernsehschirm starrte, einen verstohlenen Blick zu. Auf ihrem
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