Meade Glenn
wurde, drehte er sich um. »Danke, Georgi. Sie können uns allein lassen.«
Der Leibwächter zog sich zurück und schloss leise die Tür.
»Major, nehmen Sie Platz.« Verbatin hob sein Glas.
»Entschuldigen Sie, dass ich mir einen kleinen Schlummertrunk genehmige. Ich frage mich, warum Sie mich zu so später Stunde sprechen möchten. Es muss wirklich wichtig sein.«
»Es gibt im Fall Novikov neue Erkenntnisse.«
Verbatin hob die Augenbrauen und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Tatsächlich? Und ich dachte schon, Ihre Ermittlungen in dem Fall hätten zu nichts geführt. Immerhin sind Sie seit zwei Monaten pausenlos damit beschäftigt. Es erstaunt mich, Kursk. Sie sind einer unserer besten Ermittler.
Trotzdem sind Sie und Ihre Männer noch keinen Schritt weitergekommen.«
»Es ist ein schwieriger Fall.« : »Klären Sie mich bitte über die neuen Erkenntnisse auf.«
Kursk, der seine Aktentasche öffnete, schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Auf jeden Fall war der Mörder von Boris Novikov ein Profi. Wir haben keinen einzigen Fingerabdruck, nicht den Fetzen eines Hinweises und kein Motiv gefunden. Novikovs Überwachungskameras haben uns auch nicht weitergebracht: ein paar Schnappschüsse eines maskierten, in Schwarz gekleideten Mannes. Das ist alles.«
»Das weiß ich bereits. Fahren Sie fort.«
»Bisher kennen wir das Motiv zwar nicht, aber der Mörder muss Novikov auf jeden Fall vor dem Anschlag beobachtet haben. Ein paar Tage, Wochen oder sogar Monate. Daher habe ich meine Männer beauftragt, das Leben des Obersten vor der Tat genau zu rekonstruieren. Wohin er ging, seine geschäftlichen Termine und privaten Besuche. Termine bei seiner Bank, seinen Geschäftspartnern, der Regierung.«
»Kommen Sie bitte auf den Punkt, Kursk.«
»Überall an diesen Orten sind Überwachungskameras installiert, und viele Filme werden monatelang aufbewahrt. Ich habe hunderte von Filmen, die die letzten drei Monate vor seinem Tod betreffen, sorgfältig überprüft und mir jedes einzelne Bild ge nau angesehen. Das war eine sehr mühsame Arbeit, mit der ich erst heute Abend fertig geworden bin. Und jetzt kommt die gute Nachricht: Wir hatten tatsächlich Glück.
Als Novikov vor fast drei Monaten bei seiner Bank war, wurde draußen vor dem Gebäude ein Mann aufgenommen, der aussah, als beobachte er Novikov. Als Novikov eine Woche später das Verteidigungsministerium aufsuchte, lungerte derselbe Mann auf der Straße herum. Wir haben ihn auf dem Film einer Überwachungskamera, die auf dem Dach des Ministeriums installiert ist, entdeckt.« Kursk zog zwei Fotos aus seiner Aktentasche und legte sie auf den Tisch. »Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Der Mann könnte Nikolai Gorev sein.«
Verbatin, den diese Information sichtlich beunruhigte, betrachtete erstaunt die unscharfen Gesichtszüge des Mannes auf den Schwarz-Weiß-Fotos. »Mein Gott«, flüsterte er in krächzendem Ton. »Sind Sie sicher?«
Kursk errötete. Die neuen Erkenntnisse waren ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. »Todsicher. Dafür würde ich meinen letzten Rubel verwetten. Ich habe die Bilder mit dem Computer vergrößern lassen und verschiedene Experten befragt.
Es ist zweifellos Nikolai Gorev.«
Verbatin hob den Blick und musterte seinen Besucher aufmerksam. »Natürlich. Das hatte ich ganz vergessen. Sie kennen Gorev von früher. Haben Sie nicht mit ihm zusammen beim KGB gearbeitet?«
»Das stimmt.«
Verbatin schoss ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf. Er presste nervös die Lippen zusammen. »Und glauben Sie jetzt, dass der Täter sich an Novikovs Safe zu schaffen gemacht hat?«
»Das macht mir große Sorgen. Wie Sie mir sagten, wurden in dem Safe wichtige Dokumente aufbewahrt, obwohl offenbar nichts fehlte. Die Dokumente könnten mit einer Kamera fotografiert worden sein. Und genau das ist garantiert geschehen, falls Nikolai Gorev mit der Sache zu tun hat.«
Verbatin erblasste. »Der Fall ist brisanter, als ich zunächst annahm. Der Präsident muss sofort informiert werden.«
Im Büro des Präsidenten brannte ein Kohlenfeuer. Vasily Kuzmin, der dritte Präsident Russlands, stand schlecht gelaunt am Feuer und wärmte sich die Hände.
In dieses Büro war Kuzmin eingezogen, nachdem Boris Jelzin den Präsidentenstuhl im Kreml freigemacht hatte. Er hatte dem Raum sofort seine eigene Note verliehen. Jelzins Fotos, seine Bar, die unzähligen Nippsachen, mit dem der aufbrausende, überlebensgroße ehemalige Präsident den
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