Meade Glenn
wenn die junge Frau das Zimmer verließ, war er ans Fenster getreten und hatte auf den Parkplatz und die gegenüberliegende Straßenseite gesehen, konnte jedoch nichts Verdächtiges feststellen. Wenn er beobachtet wurde, dann verstand derjenige, der es tat, sich sehr gut darauf. Volkmann hatte die Beretta in der Manteltasche gelassen, damit das Mädchen sie nicht sah und sich beunruhigte.
Als sie sich neben ihn auf die Couch setzte und sich vorbeugte, um sich das Glas zu füllen, fiel sein Blick auf den sanften Schwung ihres Halses. Sie war wunderschön, ihre Haut gebräunt und makellos, und unter dem einfachen weißen Baumwolltop trug sie keinen BH. Volkmann sah den schmalen Spalt zwischen ihren Brüsten und die dunkle Erhebung ihrer Knospen unter der dünnen Baumwolle.
Sie lehnte sich zurück und bemerkte, daß er sie betrachtete.
»Was sehen Sie an, Joe?«
»Sie.«
Sie wurde nicht rot, wich jedoch seinem Blick kurz aus.
»Haben Sie Rudi geliebt?« fragte Volkmann, als sie ihn wieder ansehen konnte.
Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht, und sie schloß kurz die Augen.
»Ja, ich habe ihn geliebt, aber nicht so, wie Sie das vielleicht glauben könnten. Er war immer gut zu mir und hat mich aufgeheitert. Und es gab Zeiten in meinem Leben, da war Rudi der einzige Mensch, an den ich mich wenden konnte. Ich mußte mich mit bestimmten Dingen auseinandersetzen, unerfreulichen Dingen, und er war da, wenn ich jemanden zum Reden brauchte.
Selbst wenn es nur am Telefon war.«
»Glauben Sie, daß er Sie geliebt hat?«
»Ich glaube schon«, erwiderte sie.
»Was waren das für Zeiten, wo er der einzige war, an den Sie sich wenden konnten?«
»Warum wollen Sie das wissen?« erwiderte sie ausweichend.
»Aus demselben Grund, aus dem Sie mich ausgefragt haben.«
Sie warf ihm einen forschenden Blick zu und sah dann weg.
Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
»Es gab einmal eine Zeit, in der ich mich sehr geschämt habe.
Wegen gewisser Dinge aus der Vergangenheit meiner Familie.«
Sie brach ab und biß sich auf die Lippen. Volkmann wußte, daß sie nicht weitersprechen würde. »Sie meinen Ihren Vater?«
fragte er ruhig.
Diesmal lag Bestürzung in ihrem Blick, und sie errötete.
»Woher wissen Sie das?«
»Erika, die deutsche Polizei führt Akten über die meisten Bürger Ihres Landes, das müssen Sie doch wissen.«
»Sie meinen, vor allem über Kinder von Kriegsverbrechern?«
Volkmann nickte. »Es ist Ihre Regierung, Erika. Und zwar schon seit beinahe fünfzig Jahren.«
Die junge Frau schwieg lange. »Würden Sie mir erzählen, was Sie wissen?« fragte sie dann.
Er wiederholte nicht alle Einzelheiten aus den Akten, und dafür bestand auch keine Veranlassung. »Ihr Vater hat in der Leibstandarte ›Adolf Hitler‹ gedient. In derselben SS-Division wie Heinrich Reimer.«
»Was wissen Sie noch?«
»Nach Ende des Krieges ist er nach Südamerika geflohen. Die Leute, die Kriegsverbrechen untersuchen, haben ihn in Buenos Aires aufgespürt, aber er ist gestorben, bevor man einen Antrag auf Auslieferung stellen konnte.«
Sie antwortete nicht sofort. »Wußten Sie das schon, als wir uns kennenlernten?«
»Ja.« Er sah der jungen Frau in die Augen, als sie weitersprach.
»Ich hatte schon beim ersten Mal das Gefühl, als könnten Sie meine Nähe nicht ertragen. Es lag an Ihrem Benehmen, an der Art, wie Sie mich angesehen haben. Fast, als haßten Sie mich ein wenig. Hassen Sie mich, Joe?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe Sie nicht gehaßt, Erika. Haß ist ein zu starkes Wort. Mißtrauen trifft es besser. Ich habe Ihnen mißtraut.«
»Weil ich die Tochter eines SS-Offiziers bin? Wegen dem, was Ihren Eltern widerfahren ist? Und jetzt mißtrauen Sie mir wohl noch mehr, weil mein Vater in derselben Division gewesen ist wie dieser Reimer?«
Er sagte nichts, und die junge Frau musterte eindringlich sein Gesicht. »War das der Grund, warum Sie nicht mit mir schlafen wollten, Joe? Wegen dem, was mein Vater gewesen ist?«
»Ja.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist schrecklich, wie der Haß von einer Generation in die nächste übertragen werden kann, Joe.
Daß er vom Vater auf den Sohn vererbt wird. Denn dann besteht keine Hoffnung für uns alle, niemals. Verstehen Sie das nicht?
Sie werfen mir ja auch die Sünden meines Vaters vor.«
Volkmann schüttelte langsam den Kopf. »Ich werfe Ihnen gar nichts vor, Erika.«
»O doch, Joe, das tun Sie. Obwohl Sie
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