Meade Glenn
Plattdeutschen. Aber es war kein muttersprachlicher Dialekt: der Bericht kam vielmehr zu dem Schluß, daß beide Männer bilingual aufgewachsen waren und daß ihre Stimmen durch einen romanischen Spracheinfluß, höchstwahrscheinlich durchs Spanische, abgemildert wurden.
Die soziale Zuordnung konnte in ihrem Fall nicht genau erfolgen, aber vermutlich gehörten sie beide ebenfalls der Mittelklasse an.
Einer der beiden war etwa Mitte Dreißig, Raucher und vermutlich untersetzt. Die dritte Stimme gehörte zu einem Mann Anfang bis Mitte Sechzig, der vermutlich dünn bis schlank und Nichtraucher war.
Sie sprachen ein Deutsch, das den deutschen Kolonien in Paraguay oder Argentinien zugeordnet werden konnte. Erneut fiel es schwer, genau festzulegen, woher sie stammten, und in dem Bericht wurde die Vermutung geäußert, daß sie aus einer Region im Grenzbereich der beiden Länder stammen könnten.
Volkmann las den Bericht mehrmals durch, machte zwei Kopien und ließ eine zur Kenntnisnahme für Ferguson und Peters zurück.
Als er die Post auf seinem Schreibtisch durchsah, fand er einen großen Umschlag von Peters. Darin befand sich fotokopiertes Material vom amerikanischen Document Center in Berlin. Er öffnete es und schüttelte den Inhalt heraus.
Zwei kleinere, braune Umschläge rutschten heraus, und in jedem fanden sich mehrere fotokopierte Seiten. An einem der Umschläge hing ein kleiner Zettel, auf dem stand, daß der eine Heinrich Reimers Akte und der andere die von Erhard Schmeltz enthalte. Es waren Kopien der Originaldokumente aus dem Berlin Document Center.
Volkmann nahm sich erst Reimers Akte vor.
In dem Umschlag befanden sich alle wichtigen Informationen.
SS-Kennnummer, Parteimitgliednummer und die Aufnahmeanträge für beide Organisationen. Sie waren ausgefüllt und trugen Reimers Unterschrift. Dazu kamen Aufzeichnungen über seine Ausbildung, seine medizinischen Untersuchungsergebnisse, seine Offizierslehrgänge, seine Versetzungen und Beförderungen bis zum Oktober 1944. Er war ledig und hatte offenbar auch keine Kinder, denn die Kästchen dafür waren leer. Volkmann fand auch einen vierseitigen Bericht über seinen Familienstammbaum, der bis ins Jahr 1800 zurückreichte, und mit dem Reimer offenbar seinen ›Ariernachweis‹ erbracht hatte.
Drei Seiten waren Kopien eines Fragebogens, der laut Anmerkungen des Document Center für SS-Offiziere üblich war. Die Antworten hatte Reimer in seiner peniblen Handschrift fein säuberlich notiert. Er war damals fünfundzwanzig Jahre alt gewesen und gab als Geburtsort Lübars in Berlin an.
Als nächstes kam ein handgeschriebener, einseitiger Lebenslauf. Reimer begann mit Geburtsdatum und -ort, beschrieb dann seine Ausbildung und Herkunft – sein Vater arbeitete in einer Großbäckerei. Dann, wie er im Jahre 1929 mit der NSDAP in Kontakt gekommen war, noch vor seinem zwanzigsten Geburtstag. 1930 trat er der Partei bei und wurde im Juli 1934 in die Leibstandarte-SS berufen. Die meisten Informationen waren unbedeutend und beschrieben seine Beteiligung an Parteiversammlungen und Lehrgängen. Reimer benutzte einen geschwollenen Stil, und der letzte Absatz war ein Beleg für Reimers glühende Verehrung Adolf Hitlers. Er hatte den Lebenslauf mit Namen und Rang unterzeichnet: SS-Untersturmführer, was einem Leutnant der Wehrmacht entsprach.
Auf der dritten Seite fand Volkmann drei Schwarzweißfotos von Reimer: zwei Portraitaufnahmen, eine von vorn, eine im Profil. Die dritte war ein Vollporträt von Reimer in der schwarzen Uniform eines SS-Untersturmführers vor einem weißen Hintergrund. Er hatte die Hände vor sich gefaltet und trug polierte, hohe Stiefel und die typische Flügelhose. Am Kragenspiegel waren die SS-Runenblitze deutlich zu erkennen, und am linken Uniformärmel trug er die Hakenkreuzbinde. Über der Manschette des Ärmels war noch eine Binde befestigt.
Darauf stand ›Adolf Hitler‹.
Alle drei Fotos zeigten einen ernsten jungen Mann mit kurzgeschorenem blondem Haar und einem markanten Gesicht, der nur wenig Ähnlichkeit mit dem Foto besaß, das Sanchez Volkmann gezeigt hatte. Beide hatten zwar dieselben dünnen Lippen und die hohe Stirn, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf.
Reimers Beförderungen waren alle aufgezeichnet. Sie begannen vom Eintritt in die Reihen der SS-Offizierskorps 1934
und reichten bis 1945, als er den Rang eines Sturmbannführers, eines Majors, erreicht hatte. Er hatte in Österreich, Polen, Rußland, Frankreich
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