Meade Glenn
und auf dem Balkan gedient. Seine letzte Versetzung hatte ihn nach Berlin-Lichterfelde gebracht, an die Ausbildungsschule der Leibstandarte-SS.
Volkmann legte Reimers Akte beiseite und schlug die Mappe von Erhard Schmeltz auf.
Darin befanden sich nur vier Seiten. Die erste war eine Kopie von Schmeltz’ Aufnahmeantrag. Oben auf dem Antrag stand:
›Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei‹, und darunter:
›München. Brienner Straße 45‹. Das war die Adresse der Parteizentrale in München, des ›Braunen Hauses‹. Darunter begann der eigentliche Aufnahmeantrag.
Eine Zeile war für die Unterschrift des Antragstellers reserviert, und die zeigte Schmeltz’ große, deutliche Handschrift. Als Beruf hatte er Fabrik-Werkmeister angegeben.
Geboren war er am 6. März 1880 in Hamburg. In einem Kästchen am oberen rechten Rand des Antrags war eine Nummer eingestempelt: 68964.
Schmeltz’ Adresse war Brennerallee 23 in Schwabing. Das Datum des Antrags lautete auf den 6. November 1927. Darunter standen die Worte: Verweis: Hauptquartier.
Volkmann vermutete, daß es sich auf die Unterstützung des Antrags bezog, von der Peters ihm schon berichtet hatte. Als er die nächste Seite aufschlug, erblickte er die Kopie eines Briefes, der drei Tage vor Schmeltz’ Eintritt in die Partei datierte und an den Gau München gerichtet war. Die Notiz war kurz und bündig: » Ich empfehle die sofortige Aufnahme des Antragstellers Erhard Johann Schmeltz in die NSDAP, Gau München. Rückfragen sind an mich persönlich zu richten. «
Unterschrieben war der Brief mit H. Himmler, Stellvertretender Reichsführer-SS. Die Signatur unter dem Brief trug einen offiziellen Stempel.
Die anderen Fotokopien waren Aufnahmen der Vorder- und Rückseite von Schmeltz’ Personalakte aus den Parteiunterlagen und enthielten nur wenig Informationen. Name und Adresse, Parteimitgliedsnummer, Datum des Eintritts in die Partei und den Gau und die Ortsgruppe, zu der er gehörte, dazu ein Halbporträt von Schmeltz in einem schwarzen Rahmen.
Das Foto zeigte einen einfachen, mittelalten Mann mit einem breiten, bäurischen Gesicht und einem dicken Stiernacken. Sein dunkles Haar fiel ihm bereits aus, und was noch da war, hatte er mit Brillantine über die kahlen Stellen gekämmt. Er steckte in einem dunklen, schlecht sitzenden Anzug, der sich über seinem massigen, kräftigen Körper sichtlich spannte, einen altmodischen Vatermörderkragen und eine Krawatte. Die Augen hatte er zu engen Schlitzen geschlossen, aber sie wirkten intelligent und durchdringend. Er hatte die buschigen Brauen zusammengezogen, als müsse er sich konzentrieren, während er in die Kamera blickte.
Volkmann betrachtete das Foto lange und fragte sich erneut, warum Schmeltz Deutschland verlassen hatte und mit Frau und Kind nach Südamerika ausgewandert war. Und warum hatte er diese Geldsummen erhalten? An seiner Akte war nichts ungewöhnlich bis auf Himmlers Brief, aber Volkmann vermutete, daß viele Antragsteller höhergestellte Nazis gebeten hatten, ihre Aufnahme zu unterstützen.
Eine halbe Stunde später schob er den Inhalt wieder in die Papiertaschen und steckte alles in den großen Umschlag zurück.
Volkmann ließ sich von der Internationalen Auskunft die Nummer von Cole Erdberg in der Amsterdamer Herengracht geben.
Als er dort anrief, antwortete eine junge, weibliche Stimme.
Volkmann fragte, ob er mit Erdberg sprechen könne.
»Er ist nicht da, sondern geschäftlich unterwegs. Kann ich Ihnen helfen?«
»Leider nicht. Wissen Sie, wann er zurückkommt?«
»Morgen früh.«
Volkmann bedankte sich bei der Frau, hinterließ aber nicht seinen Namen. Er sagte, daß er sich noch einmal melden würde, rief dann bei der Ausgabestelle an und buchte den ersten Flug nach Amsterdam am nächsten Morgen. Sie bestätigten einen Platz in der Acht-Uhr-Maschine. Dann räumte er seinen Schreibtisch auf, verließ das Büro und fuhr nach Hause.
Es war schon nach fünf und dunkel, als er in seine Wohnung kam. Erika Kranz hatte bereits den Tisch zum Abendessen gedeckt. Sie sagte, sie habe im Petit France frischen Fisch, Gemüse und zwei Flaschen Sauternes gekauft und wolle an diesem Abend kochen.
Die Jeans und der enge Pullover ließen ihre Figur gut zur Geltung kommen, und das lange blonde Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Während des Essens erzählte er ihr von dem Ergebnis der Stimmenanalyse und seinem Besuch in Zürich, verschwieg jedoch, daß ein Mann am Flughafen ihn beobachtet und
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