Meade Glenn
Hitler, der die Arme verschränkt hatte und ein wenig lächelte. Ihm gegenüber saß der kleine, grinsende Josef Goebbels, der spätere Propagandaminister des Dritten Reiches.
Die ältere blonde Frau, die neben ihm saß, hatte ihren Arm durch seinen geschlungen.
»Die junge Frau neben Hitler ist Geli Raubal. Diesmal trägt sie blond. Die Frau an Goebbels Arm ist seine Gattin Magda. Und an diesem Foto ist noch etwas interessant. Ein Hinweis, der zu Ihrer Aufnahme paßt. Geben Sie mir bitte kurz einmal das Vergrößerungsglas, wenn Sie so nett wären.«
Volkmann tat wie geheißen, und Johanna Richter legte Volkmanns Foto neben das in dem Buch.
»Jetzt sehen Sie bitte genau hin.«
Sie schob das Glas über das Foto, und Volkmann hielt es fest, bis das Bild scharf zu sehen war. Erika beugte sich dichter heran. »Wenn Sie jetzt bitte das rechte Handgelenk des Mädchens betrachten, dann werden Sie etwas Interessantes erblicken.«
Am Handgelenk der jungen Frau glänzte schwach ein Armband. Als Johanna Richter das Vergrößerungsglas über Volkmanns Foto schob, sahen sie auch dort deutlich das gleiche Schmuckstück an der gleichen Stelle.
»Das Armband war ein Geschenk Hitlers an seine Nichte vom Oktober 1929, als er sie auf eine Parteiversammlung in Nürnberg mitgenommen hatte. Es bestand aus massivem Weißgold, und war mit Rubinen und Saphiren besetzt. Hitler erwähnte es in einem Brief an einen engen Freund. Dieses Weißgoldarmband trug Geli Raubal später immer um ihr rechtes Handgelenk.« Johanna Richter sah ihre beiden Gäste an. »Und ganz abgesehen davon schließen die Gesichtszüge der jungen Frau auf den beiden Fotos jeden Irrtum aus, das versichere ich Ihnen. Es ist eindeutig dasselbe Mädchen.«
Volkmann nahm erneut das Vergrößerungsglas und hielt es über die Fotos. Erika stand neben ihm, und zusammen verglichen sie die Bilder. Derselbe breite, dünnlippige Mund, dieselben Wangenknochen, dieselben Augen, dieselbe Gesichtsform. Er sah Erika an, aber sie schwieg und erwiderte seinen Blick unbewegt, bis er wieder Johanna Richter ansah.
»Mir ist klar, wie spät es ist, Frau Richter, aber können Sie uns noch etwas mehr über das Mädchen erzählen? Sie sagten, daß sie ein Problem für Hitler war. Inwiefern war sie ein Problem?«
»Weil sie Selbstmord begangen hat.«
»Wann?«
»Etwa zwei Monate nachdem Ihr Foto aufgenommen worden ist. Nach einem heftigen Streit mit Hitler in seiner Wohnung in München hat sich das Mädchen ins Herz geschossen. Verstehen Sie, die beiden waren lange Zeit ein Liebespaar.«
Volkmann und Erika starrten Johanna Richter ungläubig an.
Die ältere Frau erwiderte ihren Blick gelassen. »Sie machen mich tatsächlich neugierig. Ist das sehr wichtig?«
»Vielleicht«, antwortete Volkmann ausweichend.
»Würden Sie mir sagen, warum?«
Volkmann zögerte. »Es hat mit einer Ermittlung in einem Kriminalfall zu tun, Frau Richter. Mehr darf ich Ihnen leider nicht verraten.«
Die Historikerin wirkte einen Augenblick verwirrt, faßte sich aber rasch. »Was meinen Sie mit Kriminalfall? Einer, in den das Mädchen verwickelt war?«
»Nein, nicht das Mädchen. Wir ermitteln gegen jemand anderen.«
»Aber was hat dann dieses Mädchen mit der Sache zu tun? Sie ist doch vor so langer Zeit gestorben.«
»Tut mir leid, Frau Richter, mehr darf ich Ihnen nicht sagen.«
Die Historikerin warf Volkmann einen leicht gereizten Blick zu, und ihre Enttäuschung war ihr deutlich anzumerken. »Na gut, was wollen Sie über Geli Raubal wissen?«
»Alles, was Sie uns sagen können«, antwortete Volkmann.
Johanna Richter bot ihnen Zigaretten an und gab ihnen der Reihe nach Feuer.
»Sie sagten, daß Hitler und die junge Frau ein Liebespaar gewesen sind«, meinte Volkmann und beugte sich vor. »Können Sie uns darüber Näheres erzählen?«
Die Historikerin zog an ihrer Zigarette und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Die beiden hatten mit Sicherheit eine Beziehung. Und zwar eine, die weit über ein normales Onkel-Nichten-Verhältnis hinausging. Die junge Frau hat zum Beispiel lange Zeit in demselben Haus gelebt wie Hitler, und sie sind sich sehr nahegekommen. Als Hitler 1927 in sein Berghaus in der Nähe von Berchtesgaden gezogen ist, ist seine Stiefschwester als Haushälterin mitgegangen. Hitler hat schon damals vielen Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung mißtraut, also war eine Verwandte eine naheliegende Wahl. Sie hat sich um seinen Haushalt gekümmert, sein Essen gekocht und für
Weitere Kostenlose Bücher