Meckerfritz - 1: Bissige und ironische Betrachtungen des Alltags. (German Edition)
Montag im Adler, am Mittwoch im Ochsen und am Freitag im Schwan…” “Und wann singt ihr?” “Auf dem Nachhauseweg…”
Was schert mich das Geschwätz der anderen
Woll’n wir mal ehrlich sein, auch wenn’s noch so schwer fällt, man richtet sich doch irgendwie nach den vermeintlichen Vorgaben anderer. Man glaubt, ein anderer denkt über einen selbst so und so, bevor es zu einer entsprechenden Situation überhaupt gekommen ist. Antizipation nennt man das. Das Ende eines Vorgangs in gewisser Weise voraussetzen.
Familie Müller / Meier / Lehmann / Schmidt, machen jeden Blödsinn mit. Sie verstehen sich aber schon seit Jahren nicht mehr und leben in gewohnter Manier einfach nur noch zusammen. Man könnte sich scheiden lassen und jeder ginge dann seinen Weg, das tut jeder ohnehin schon. Aber was sagen dann die Nachbarn, wenn plötzlich der Möbelwagen vor der Tür steht?
Eben genau aus diesem Grunde bleibt man einfach zusammen, wenn man sich auch nichts mehr zu sagen hat. Man setzt einfach voraus, dass die Nachbarn dazu etwas sagen werden und verhält sich entsprechend. Man unterdrückt damit seine eigenen Wünsche und Vorstellungen und passt sich murrend an.
Man strukturiert sein Leben nach den evtl. Meinungen und Aussagen anderer, die diese noch gar nicht geäußert haben und vielleicht nie äußern werden. Aber man setzt es schlicht und ergreifend voraus. Antizipation.
Eine Szene beim Einkauf. Für eine Fete soll eine größere Menge an Getränken, darunter auch Bier eingekauft werden. Sich dem Bewusstsein, dass man nicht alles selbst konsumieren wird unterwerfend, geht man mit der Sache locker, also normal um.
Jetzt tauschen wir die Rollen und setzen für den Einkauf nicht das Motiv einer Feier ein. Der Einkaufende beabsichtigt also alles alleine zu trinken. Plötzlich fühlt er sich irgendwie ertappt und geht nicht mehr so locker mit der Sache um. Man könnte jetzt schließlich annehmen, dass er Trinker sei, angesichts der Menge in seinem Einkaufswagen. Ein Unwohlsein macht sich breit. Auch hier setzt unser Aspirant voraus, dass sich jemand ernsthaft um seine Nahrungsgewohnheiten Gedanken macht.
Die Kids tragen nur noch Klamotten mit hochwertigen Brandings und das Handy muss den aktuellsten technischen Stand besitzen, sonst fühlt man sich minderwertig und von den anderen nicht akzeptiert. Man setzt voraus, dass mit Edelturnschuhen und Markensweatshirt das Leben knitterfreier zu bestreiten ist. Später, wenn man ein paar Jahre älter geworden ist, wird es dann am Auto, am Haus oder an der Yacht gemessen, wie sehr man sich an der unausgesprochenen Meinung anderer orientiert.
Man rasiert sich den Rüssel glatt, obwohl man keine Lust dazu verspürt, aber ein anderer könnte sich letztlich an meinem unrasierten Gesicht stören, unterstellt man sich selbst. Im Urlaub erst, da kann man sich gehen lassen. Plötzlich klappt es also, mit dem ‘Nicht auf andere hören müssen’. Wer sagt denn, dass man ständig auf andere hört? Doch nur eine unterdrückte Stimme in einem selbst. “Pass dich an und fall’ nicht auf”, sagt die Stimme. “Mach ständig das, was man von dir erwartet.” Es erwartet aber niemand, dass ich mich so verhalte. Man setzt es selbst nur so voraus.
Man bewundert die Leute, die sich einen feuchten Käse um das Geschwätz anderer scheren und das machen, wonach ihnen gerade ist. Man ertappt sich dabei selbst zu jenen zu werden, von denen man glaubt, dass sie ständig über einen reden. “Guck mal, wie der sich benimmt…” Na wie denn? (Un)-normal und ungezwungen, wie ein richtiger Mensch. Er will sich keiner NORM anpassen, also erscheint er in unseren Augen als unNORMal. Wer lebt jedoch freier und unbeschwerter? Der NORMale, oder unNORMale?
Man lässt im vollgerammelten Bus keinen ‘fahren’, weil man voraussetzt, dass es evtl. jemanden stört. Also kneift man für 12 Haltestellen, bis man aussteigen will, die Knie zusammen.
Man bohrt sich in der Oper nicht in der Nase, rülpst nicht im Restaurant und lebt sein Leben lang nach irgendwelchen Regeln, die man weder selbst aufgestellt hat, noch gewillt ist sie zu verstehen. Man macht es einfach.
Man klopft seinem Chef nicht freundschaftlich auf die Schulter und sagt nicht zu ihm, dass seine “Olle ‘ne geile Schnecke” ist und man sie bei der Betriebsfeier am liebsten “durchgenagelt” hätte.
Mit seinem Arbeitskollegen kann man so reden. Warum also nicht mit dem Chef?
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