Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
festgeschnallt. Dann stöhnt »es« kurz auf und unter
atemberaubendem Getöse und Geblinke vollführen die Insassen unentwegt mehrere, schneller werdende Kreisbewegungen gleichzeitig, so als säßen sie auf einer
überdimensionalen Fahrradpedale. Sie schreien. Ich verspüre Mitleid, obgleich sie das offenbar wollten. Sie haben dafür sogar angestanden und bezahlt. Wie
gebannt verfolge ich für einen Moment ihre Umlaufbahnen. Die Ablenkung war zu lang. Sie ließ mich geradewegs auf ein Kinderkarussell zusteuern. In der nun
folgenden Stunde fährt meine Tochter in einem Feuerwehrauto im Kreis. Meine Versuche, sie auf eine dickbauchige, alte Kogge mit braunen Segeln aufmerksam
zu machen, scheitern kläglich. Während sie undihre Mitfahrer Hupen, Glocken und Sirenen ertönen lassen, versucht die hypnotische Stimme
eines benachbarten Moderators meinen Willen zu kontrollieren und suggeriert mir, ich müsse an der Tombola teilnehmen, um einen zwei Meter großen, rosa
Stoffhund zu gewinnen. Das Kinderkarussell und meine Tochter lassen sich nur mit Mühe und der Zwischenstation Hubschrauber voneinander
trennen. Zuckerwatte, Eiscreme oder Gegrilltes als Entschädigung schlägt sie unter Tränen aus.
Doch bald fangen Piraten und andere mittelalterliche Gestalten ihre Aufmerksamkeit. Eine kleine Nachhut der Ende Juli begangenen Wallensteintage in
Stralsund. Während dieser feiern die Einwohner der schönen Hansestadt den erfolgreichen Widerstand gegen die Belagerung der kaiserlichen Truppen unter der
Führung des berühmten Feldherrn Wallenstein. Wie zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges kreuzen nun alljährlich zwischen Stralsunds Altem Markt und der
Hafeninsel Gaukler, Magier, Akrobaten, Handwerker und Krämer auf, auch Pestkranke gibt es zu bestaunen, Kanonenschüsse donnern durch die Altstadt, hier
und da kämpfen Musketiere – und ein barockes Feuerwerk lässt das wundervolle Rathaus erstrahlen.
Jetzt böllert es jedoch im Rostocker Stadthafen, was einige Gäste zusammenschrecken lässt. Kanoniere feuern vom anderen Ufer der Warnow. Ein
Hobbymatrose, der mit seinem Kumpel von einer Motoryacht aus den Röcken an Land hinterher pfeift, vermutet, dass die Schützen es auf die Shantychöre und
andere Interpreten auf unserer Uferseite abgesehen haben. Auf derartigen Festen muss es nun einmal knallen und laut hergehen. Jeder, der sich an diesen
Tagen in der Nähe aufhält, soll wissen, dass hier etwas los ist, und so zieht es dank Schiffssirenen, Nebelhörnern undKirchenglocken
irgendwann selbst die Einheimischen an die Wasserkante, die der Veranstaltung im Vorfeld eher skeptisch gegenüber standen. Spätestens wenn das große
Feuerwerk die alten Kähne und das Wasser hell erleuchten lässt, finden auch sie sich ein.
Meine Tochter und ich haben uns nun bis zu den großen Speichergebäuden vorgekämpft. Von hier genießt man eine weitere herrliche Aussicht über das
Areal. Die Sonne senkt sich so langsam über dem Wasser und beim Anblick der alten Holzschiffe könnten fast Peter Pan-Phantasien aufkommen, würde ein Rod
Stewart Double nicht »I am sailing, I am sailing. Home again ’cross the sea« zum Besten geben. Heißluftballons schweben über den Dächern der Stadt. Aus
einem, meine ich, eine große, gelb gefiederte Ente winken zu sehen.
In der Sprache der Seeleute kann einem schwindlig werden. Sie steckt voller Ausnahmen und Abhängigkeiten. Gerade wenn man Luv, Lee und
Achtern unterscheiden kann, bringen den Laien Worte wie Gaffelschoner, Rah, Fock und Brigg wieder ins Schwanken. Damit Sie sich ein wenig bei den
Schiffstypen orientieren können, im Folgenden eine kleine Hilfestellung:
Galeassen: Sie sind sowohl Segel- als auch Ruderschiffe, ca. 50 Meter lang, die im 16. Jahrhundert gern gebaut wurden. Wenn Sie
Mantel- und Degenfilme kennen, in denen die Republik Venedig Krieg führt oder die Spanische Armada gegen die Englische Flotte kämpft, dann wissen Sie, was
Galeassen sind.
Windjammer: Die Hanse Sail gilt als eines der größten Windjammertreffen der Welt. Der Begriff leitet sich aus
dem englischen »to jam the wind« ab, was zum Ausdruck bringt, dass sich die Schiffe mit ihren Segeln in den Wind drücken. Diese sind viereckig und werden
Rahsegel genannt. Heute werden Windjammer oft als Segelschul- oder Kreuzfahrtschiffe eingesetzt. Es sind Tiefwassersegler, deren Bestimmung
interkontinentale Reisen über die tiefen Ozeane sind.
Brigg: Die Brigg hat
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