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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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vorbei und konnten nicht teilnehmen. »Segeln ist die teuerste und unbequemste Art, sich langsam fortzubewegen«, lästern selbst erfahrene Skipper. Aber
     die Warnemünder Woche gibt es trotz aller Hindernisse bis heute.
    In diesem Zusammenhang verdient Erwähnung, welche Bedeutung die Ereignisse von 1989 für die Küstenbewohner hatte. Wenn Segeln Freiheit darstellt, dann
     war der DDR-Segler so unfrei wie kaum ein anderer Sportler. Entsprechend bedeutete die politische Wende vor allem eines: die immense Ausdehnung des
     Reviers. Zur Zeit des realen Sozialismus durfte nur aufs offene Meer, wer einen entsprechenden Berechtigungsschein vorweisen konnte. Alle anderen bewegten
     sich ausschließlich auf Binnengewässern. Ganz unproblematisch war auch das nicht. Denn wo Bodden und offenes Meer ineinander übergehen, da verschwimmen
     die Grenzen. Wer dann einen naheliegenden Kurs quer übers Meer einschlagen wollte, dem konnte es passieren, dass er von einem Schnellboot der Marine
     aufgebracht wurde.
    Eine Genehmigung zum Befahren küstennaher Gewässer innerhalb der sogenannten Drei-Meilen-Zone wurde gewöhnlich nur Leuten ausgestellt, von denen die
     Partei- und Staatsführung sicher sein konnte, dass sie nicht mit geblähten Segeln in die falsche Richtung abdrehen würden. Gleichwohl ist einigen genau
     dies gelungen. Zum Beispiel jenem Rostocker, der an einem trüben Herbsttag desJahres 1988 mit einer winzigen Jolle und geschwärzten
     Segeln Richtung Dänemark fuhr. Ohne Berechtigungsschein. Der Schriftsteller Friedrich Christian Delius hat die Geschichte aufgeschrieben und unter dem
     Titel »Der Spaziergang von Rostock nach Syracus« veröffentlicht. Dass für den Rostocker die freiwillige Rückkehr in die DDR nach einem kurzen
     Italienaufenthalt genauso schwer wurde wie die Ausreise, ist ein anderes Kapitel.
    Die politische Wende von 1989 bedeutete denn auch einen Aufschwung international angesehener Segelwettbewerbe. Weil die beschauliche Ostseeküste aber
     kaum mit pazifischen Revieren konkurrieren kann, finden die größten Regatten der Welt wie der »America’s Cup« nach wie vor anderswo statt. Jedoch selbst
     solche ungleichen Wettbewerbe enden mitunter siegreich für kleine Davids, die die großen Goliaths ganz schön dumm aus dem Ölzeug gucken lassen. 2003 ging
     jener wichtige »America’s Cup« nicht nach Australien, Neuseeland oder in die USA, die diese Superregatta seit 1851 fast immer für sich entschieden
     hatten. In jenem denkwürdigen Jahr gewann ausgerechnet die Schweiz, ein Binnenland. Sportdirektor der siegreichen Rennyacht »Alinghi« war Jochen Schümann,
     dreifacher Olympiasieger, der in den 1970ern als Skipper einer kleinen flinken Jolle auf der Ostsee vor Warnemünde erstmals von sich reden gemacht
     hatte.

    Nachtrag: Auf Wellen reiten wir? Auf Wogen gleiten wir? Mit der politischen Wende geriet auch der musikalische Polen-Import
     »Die Roten Gitarren« in Vergessenheit. Zu Recht. Denn ihr 70er-Jahre-Schlager »Weißes Boot« gehört zum furchtbarsten, was je über das Segeln getextet und
     gesungen wurde.

ENTE ÜBER BORD –
    FREGATTEN AUF DER HANSE SAIL
    Am westlichen Ende des Rostocker Stadthafens reihe ich mich in den Strom der Menschen ein. Dort liegt das Hotelschiff Georg Büchner
     unweit der eleganten Segelbootgeschosse, die mit 26 Meter hohen Masten, so hoch wie ein achtgeschossiges Haus, ein paar Jahre zuvor bei der
     halsbrecherischen Regatta »Volvo Ocean Race« um die halbe Welt gejagt sind. Nun empfangen die Hochgeschwindigkeitsschiffe zahlungskräftige Touristen,
     Geschäftspartner und Betriebsausflügler. Aus den Lautsprechern über mir tönt: »Der fünfjährige Dennis vermisst seine Eltern und freut sich, im Presse-Büro
     der Hanse Sail vor der NDR-Bühne wieder abgeholt zu werden.« Am Haribo-Stand, der die lustig-süße Gelatinemischung auf 10 Metern wie andernorts Gemüse
     feil bietet, ist der arme Junge sicher nicht vorbei gekommen. Zufällig stehe ich im Augenblick der Durchsage neben der Mutter, die gerade eben noch hinter
     einem Plüschtierkäfig mit Greiferarm nach ihrem Jungen suchte. Sie schaut sich um und ruft »Je(äääää)ns, sie ham’ De(äääää)nnis«. Keine Antwort, denn nun
     fehlt Jens, offenbar der männliche Erziehungsberechtigte des kleinen Rackers. Verzweifelt blickt sie sich um. »Den Jeäääns haben se auch schon«, erlaube
     ich mir eine scherzhafteBemerkung, die sie aber gar nicht so aufmunternd findet, wie sie gemeint

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