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Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner

Titel: Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Joseph
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Mecklenburg-Vorpommern heißt auch, sich auf einiges gefasst zu machen:Sie setzen sich 10.45 Uhr vormittags auf
    die Terrasse eines Restaurants, lassen die ersten Sonnenstrahlen Ihre Nase kitzeln und wollen sich vielleicht schon vor dem anstrengenden Spaziergang ein
    Alster gönnen. Die Kellnerin flitzt jetzt schon das dritte Mal an Ihnen vorbei. Nur sie weiß wohin. Nach einer Weile, die Getränkekarte kennen Sie nun schon
    auswendig, versuchen Sie es mit einer Annäherung.
    »Haben Sie schon geöffnet?«
    Leicht genervte Entgleisung ihrer Gesichtszüge.
    »Wonach sieht dat denn aus?«
    » Aussehen tut es geöffnet«, erlauben Sie sich eine freundlich-ironische Stichelei.
    »Mittagskarte gibt es aber erst ab halb zwölf«, antwortet sie auf eine Frage, die Sie nicht gestellt haben, aber Sie sind ja dankbar über jede
     Kommunikation, die Sie Ihrem Alster näher bringt. Wenn Sie wissen möchten, wie dumm die Frau gucken kann, lassen Sie sich statt der Mittags- die
     Abendkarte bringen. Zeigen Sie Verständnis. Das ist der Typ Kellnerin, der nun schon so lange hier arbeitet und ausgerechnet heute wirklich keine Lust
     hat. Bleiben Sie ruhig! Konfrontation bringt sie höchstens aus der Urlaubsstimmung. Hartnäckige Freundlichkeit ist das, was die Kellnerin braucht und Sie
     Ihr Ziel erreichen lässt.
    Ein anderer Typ Kellner ist der mit den andressierten Manieren. Er bemüht sich nach Kräften um einen gewählten Ausdruck, da Vornehmes offenbar zum
     Leitbild seines Arbeitgebers gehört. Gäste in kurzen Hosen und Badelatschen werden mit »der Herr« oder »die Dame« angesprochen. Bemerkenswert wird es,
     wenn er sich beim Abräumen über den Tisch beugt und die augenscheinliche Rentnerin fragt, ob es noch eine Tasse Kaffee für die»junge
     Frau« sein darf. Die Aufgabe der Authentizität hat durchaus tragisch-komische Momente.
    Am sympathischsten ist die aufrichtige Kellnerin, die Sie direkt an ihren Gedanken teilhaben lässt. Zunächst werden Sie begrüßt mit »Na, was essen wir
     denn heute?«. Ohne die leise Chance einer Antwort, gibt sie Ihnen umgehend zu bedenken, dass sie das Steak essen würde, wenn sie Sie
     wäre. Selbstverständlich gehen Sie darauf ein und bestellen es sicherheitshalber gleich »gut durch«, da Sie bei derartigen Empfehlungen immer an
     Schneewittchens rote und grüne Apfelhälfte denken müssen. Wenn Sie die Kellnerin kurze Zeit später darauf hinweisen, dass Sie das Steak eben nicht blutig
     wollten und sie mit »oh, der Koch wieder« die Augen kreisen lässt oder sich schuldbewusst mit »bin ich blöd« dafür entschuldigt, dann muss man die Gute
     für ihre Offenheit einfach gern haben. Hier lohnt sich auch ein kleiner »Schnack« über Ort und Umgebung.
    Grundsätzlich kann man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren, dennoch bestätigen Umfragen, dass Gastfreundlichkeit hierzulande nicht
     flächendeckend anzutreffen ist. Man darf jedoch unbesorgt sein: Sicher werden Regierung oder Tourismusverband früher oder später aktiv und die nichts
     ahnenden Einheimischen darüber aufklären, dass nette Worte und ein offenes Lächeln überregional als vorwiegend sympathisch gelten. Allerdings sind
     Mecklenburger und Vorpommer Ochsenköpfe harte Nüsse und keine »Bitte recht gastlich«-Plakatkampagne der Welt wird daran etwas ändern.
    Echte bis an Hingabe grenzende Freundschaft erhalten Sie nur bei einem Schluck Alkohol. Da zeigt sich des Fischkopfs geselliger Kern. Da kommt er aus
     sich heraus.Hat der Einheimische Sie über Stunden, ja vielleicht sogar über Tage mit seiner Einsilbigkeit auf Distanz gehalten und Ihnen
     das Gefühl gegeben, dass Sie nur Dank seines unendlichen Langmutes in seinem natürlichen Lebensraum koexistieren dürfen, so genügen – wenn alle sonstigen
     Umstände nicht dagegen sprechen – lediglich fünf Bier und vier »Kurze«, damit er sich zu einem aufmunternden Schulterschubser hinreißen lässt. Zwei
     Herrengedecke später und Sie beide plaudern sogar. Zugegeben, es ist wahrlich pauschal beschrieben, aber wenn Sie beispielsweise eine rheinländische
     Frohnatur sind und denken, dass es genügt, zufällig Raum und Zeit mit jemandem zu teilen, um die Berechtigung zu haben, diesen Jemand anzusprechen, dann
     haben Sie sich hierzulande aber tüchtig geschnitten. Der Mecklenburger und der Vorpommer sind alles, nur nicht oberflächlich und schon gar nicht leicht zu
     haben. Man kann sich ihr Vertrauen aber eben »ertrinken«. Bier, Goldbrand, Mann un

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