Mecklenburg-Vorpommern. Anleitung für Ausspanner
sogenannten
Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen …« Der Zwickel, ohne den fortan nichts mehr ging, ist ein keilförmiger Stoffeinsatz, der alles
sittsam zusammenhalten sollte. Allerdings nur zehn Jahre, dann wurden die ersten FKK-Strände wieder erlaubt.
Nach dem Krieg taten sich beide Teile Deutschlands schwer mit der Freikörperkultur. Selbst in der DDR, die heute gern mit FKK in Verbindung gebracht
wird, gab es einflussreiche Kräfte, welche die Nacktheit verbieten wollten. Der SED-Obrigkeit war die Badeverordnung, die noch aus der NS-Zeit stammte und
das Nacktbaden erlaubte, ein Dorn im Auge. Die sogenannten Kamerunfeste (später Neptunfeste), bei denen wild bemalte Urlauber am Strand, mit Muschelketten
und Schilfröckchen bekleidet, verrückte Tänze aufführten, veranlassten einige SED-Politiker, sich um das internationale Ansehen ihres Staates zusorgen. Für den Schriftsteller und ersten Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, war FKK »im Interesse der Ästhetik nicht zu vertreten«,
insbesondere weil »gewisse Leute sich mit ihren deformierten Körpern provokativ zur Schau stellen« würden. Becher gipfelte voller Pathos in dem Ausbruch:
»Habt Mitleid! Zeigt Erbarmen! Schont die Augen der Nation!«
Von dem Texter der DDR-Nationalhymne wird noch eine nette kleine Anekdote erzählt. Becher hatte ein Haus in Ahrenshoop, der Künstlerkolonie auf
Fischland/Darß. Eines Tages spazierte er am Strand, bis plötzlich vor ihm eine ältere Frau lag, nackt und nur das Gesicht von einer Zeitung bedeckt. Becher
rief: »Schämen Sie sich nicht, Sie alte Sau!?« Die Frau nahm die Zeitung vom Gesicht, und zum Vorschein kam zu des Empörten Überraschung die berühmte
Schriftstellerin Anna Seghers. Ein paar Monate später stand die Seghers auf der Bühne. Becher, in der Würde seines Amtes, wollte ihr den Nationalpreis
erster Klasse an die Brust heften und streckte ihr die Hand entgegen. »Liebe Anna«, sagte er, »darf ich dir …« Doch Anna Seghers fiel ihm ins Wort, und
zwar so laut, dass die Genossen in den ersten Reihen es auch hörten: »Für dich, Hans, immer noch die ›alte Sau‹.«
Heute badet man mit oder ohne Zwickel, oben ohne und unten frei. Jeder wie er es mag.
Wie früher bietet das öffentliche Bad eine herrliche Gelegenheit, sich über Einheimische und Urlauber zu wundern. Machen Sie sich den Spaß und halten Sie
am Strand nach folgenden Typen Ausschau:
Unfassbar Verbrannte , die wegen ihrer roten Hautfarbe schon von allen angestarrt
werden, von ihrer Verbrennung selbst aber nichts mitbekommen. Noch nicht.
Bauherren , die das eigene Handtuch mit einem Sandwall umgeben oder mit
Strandmuscheln, Laken, Wäscheklammern und Windschutz ganze Zeltstädte errichten.
Steher , meist männlich und Anfang 60, haben die besten Plätze
und beobachten den ganzen Tag mit verschränkten Armen und mit nichts außer einer Sonnenbrille bekleidet die … Möwen.
Cremer , haben noch nichts
von wasserfester Sonnencreme gehört und schmieren sich pausenlos ein.
Sportler , sind die ganze Zeit aktiv, im ungünstigen Fall betreiben Sie in
Ihrer Nähe mit Holzschlägern und Ball ein Spiel, das durch den Geräuschpegel ein gewisses Wimbledon-Gefühl in den Urlaub holt. Im besten Fall sind die
Sportler sich aber nicht zu blöd und machen an einem gut besuchten Strand einen Lauf, meist einen Schlängellauf um die anderen Urlauber, im
bemerkenswertesten Fall tun sie dies auch noch nackt.
Quo vadis? Links oder rechts? Eine der entscheidenden Fragen des Urlaubs ist die nach dem besten Liegeplatz am Strand. Es geht
darum, die vielleicht mehrere Stunden andauernde Anreise am Ziel auch mit dem idealen Fleckchen für sich und Ihre Badetücher zu krönen. Wenn ich an meine
Kindheit am Strand denke, erinnere ich mich vor allem daran, dass meine Familie oft rastlos die infrage kommenden Stellen abgewogen und diskutiert hatte,
ehe sie erschöpft Kühltaschen, Windschutz, Spielgeräte und Luftmatratzen fallen ließ. Auch heute verbringenNeuankömmlinge oft Minuten auf
der Düne, bevor Sie nach links oder rechts gehen. Für Ehepaare ist dies ein perfekter Zeitpunkt, um sich das erste Mal zu streiten. Oft rennt er dann
einfach los, während sie ihm gereizt mit einiger Distanz folgt. Dabei ist es in der Regel gleichgültig, welche Richtung Sie einschlagen. Wählen Sie einfach
links, das spart schon mal eine Menge Zeit und Nerven, schließlich werden Sie kein Haus bauen!
Hinter der Düne
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