Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
Vom Netzwerk:
Finger ein Möhrchenstück, welches Kais Messermassaker entkommen war und schob es gedankenverloren hin und her. „Er hat ja Recht. Ich weiß es und doch ...“ Leon rieb sich mit dem Handrücken erneut über die Wange. „So ist das nun einmal, davon leben wir. Ich weiß es. Es ist gerade verdammt knapp und bringt uns viel Geld ein. Trotzdem ...“
    Kai versuchte aus seinem Gestammel schlau zu werden, verstand jedoch nicht im Geringsten, was los war. Erneut schluchzte Leon auf. „Ich hänge doch so an ihr, ich kenne sie von Fohlen an, war bei der Geburt dabei, und er verkauft sie einfach heimlich. Klar brauchen wird das Geld, aber ...“ Wütend hieb er auf die Tischplatte. „Er hätte mich einfach vorher fragen können! Aber er ist nicht einmal auf die Idee gekommen. Nie interessiert es ihn, wie ich mich fühle. Und dann sagt er doch, ich soll mich nicht so anstellen, ich wäre wie ein Mädchen.“ Leon schnaubte zornig und weitere Tränen perlten über seine Wangen.
    „Nur weil ich deswegen traurig bin? Weil ich sie halt mag? Ich kann ihm eh nichts recht machen, dauernd bin ich ihm zu weich, beschimpft er mich. Nur wenn ich Schleifen heimbringe, dann bin ich plötzlich ganz toll.“ Kai hörte mit ernstem Gesicht zu, erahnte, was passiert war und konnte sich in etwa vorstellen, wie Leon sich fühlte.
    „Ist es wegen deinem Pferd.“ Heftig nickend stimmte ihm Leon zu. „Er hat sie verkauft. Richtig teuer sogar. Sie ist in M erfolgreich, da konnte er nach dem höchsten Gebot gehen.“ Er spuckte die Worte zornig aus. „Ich habe sie dahingebracht, mit mir ist sie dahingekommen, ich habe sie ausgebildet. Er hat ja nie an sie geglaubt, zu klein, zu schwach. Und ich Idiot musste es ihm ja beweisen. Scheiße!“ Mehrfach hieb er auf die Tischplatte. „Hätte ich doch nur nie mit ihr das Springen angefangen.“
    Kai saß starr daneben, konnte erahnen, wie tief verletzt Leon sein musste, und fühlte sich hilflos. Was musste es für ihn bedeuten, dieses Pferd zu verlieren? Er liebte es, Kai hatte es selbst erlebt. Wie konnte sein Vater das übergehen?
    Leon sammelte sich etwas. „Wir brauchen das Geld, ich weiß das. Wir müssen ein neues Auto haben und der Winter war verdammt hart. Die Heu- und Strohpreise sind hochgegangen. Ja, er hat es mir erklärt. Aber sie war für mich …“ Leon brach ab und sah nun endlich Kai direkt an. „Sie war doch meine … Freundin“, fügte er mit tränenerstickter Stimme hinzu. Der Schmerz in seinen Augen zog Kais Kehle zusammen. Er konnte nicht sprechen, kaum atmen.
    Er erinnerte sich an den Mann in dem Lodenmantel mit dem Burghardt etwas Geschäftliches regeln musste. Kai hatte ihn vor Augen und hasste ihn unbekannterweise. Er wusste schließlich, was Leon dieses Pferd bedeutet hatte. Er hatte die beiden erlebt, erinnerte sich genau, wie Leon von ihr gesprochen hatte. Da konnte es tausend vernünftige Gründe geben, dieses Vorzeigepferd zu veräußern. Für ihn zählte nur einer sicher dagegen: Leon trauerte.
    „Ich musste da weg“, erklärte Leon, wischte sich hastig übers Gesicht. „Die verstehen das nicht. Es ist ja nur ein Pferd.“ Zum wiederholten Mal schnaubte er abfällig. „Selbst Bodo denkt, dass ich mich anstelle. Der hat doch gar keine Ahnung.“
    Kais Hand robbte selbstständig, sich des gefährlichen Grenzgebietes, in dem sie sich bewegte, voll bewusst, über die freie Fläche des Tisches auf Leons Hand zu.
    „Ich habe Unterricht gegeben, die ganz Kleinen. Er hat es mir nicht mal vorher gesagt. Ich kam dazu, wie sie Bella verladen haben, ich konnte mich nicht einmal von ihr verabschieden.“ Leons Stimme wurde lauter, verzweifelter. Sein Blick bohrte sich in Kais Augen, als ob er in ihnen einen Halt suchen würde. „Ich stand da und konnte gar nichts machen. Nichts! Auf dem Papier gehört sie schließlich ihm und vor den Kiddies ...“
    Kais Hand hatte die Deckung der Gemüseschüssel ausgenutzt und sich gefährlich nahe an Leons Finger herangepirscht, die mit dem einsamen Möhrchenstück spielten.
    „Ich stand nur da und konnte nichts sagen, nichts tun“, fuhr Leon fort. „Und Vater hat auch noch gelächelt und erklärt, wie toll ich sie geritten habe. Er hat überhaupt nicht bemerkt, wie mir zumute war.“ Kais Finger zögerten Millimeter vor dem Ziel, entschlossen sich jedoch zu einem Blitzangriff und legten sich über Leons nervös zuckende Hand. Augenblicklich ruckte dessen Kopf und er starrte auf Kais Finger, die still auf seinen

Weitere Kostenlose Bücher