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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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war es wirklich einfacher für Leon. Der Gedanke tat weh, war unbeliebt, entbehrte jedoch nicht völlig jeder Grundlage. Schwulsein - Was würde es für jemanden wie Leon bedeuten? Verstecken, verbergen, sich verbiegen, zumindest so lange er daheim wohnte. Das war verdammt schwer und Kai wusste nicht, ob er es sich wirklich für Leon wünschen sollte. Ein schlechtes Gewissen, jedes Mal, wenn sie sich trafen, jedes Mal, wenn sie sich näher kamen. Wenn er die Sache mal aus dieser Sicht betrachtete und seine eigenen Gefühle völlig außer Acht ließ, war es vielleicht wirklich besser so.
    Aber Kai war niemand, der einfach aufgab. Er kannte auch diese Phase eines Rennens, wenn einen die Selbstzweifel niederdrückten, das Ziel nahezu unerreichbar schien, jeder Schritt anstrengend war und man sich fragte, warum man sich das antat, ob es nicht leichter wäre, weniger, kürzer, langsamer zu machen. Der Kopf, der Verstand war es, der einen weitertrieb über den toten Punkt hinweg. Dennoch hasste Kai es, passiv zu sein, nur warten zu können, ob sich Leon melden würde, abermals einen Schritt mit ihm zusammen auf dem Weg zu ihrem Ziel zu machen bereit war.
    Der heiß ersehnte Anruf kam gänzlich unerwartet, am Mittwoch danach. Kai saß an seinem Computer, mailte mit einem Freund in Hamburg und war ernsthaft am Überlegen, das folgende Wochenende in der Hansestadt zu verbringen, um aus seinem selbstgewählten Exil auszubrechen und vor allem weg von den zermürbenden Grübeleien zu kommen. Susanne hatte ihn zudem am Freitagabend zu sich und Dirk zum Essen eingeladen. Kai achtete nicht auf die Nummer, als er das Gespräch annahm, und war daher zunächst irritiert, als am anderen Ende nur eigentümliche Geräusche zu hören waren.
    „Kai?“ Es war Leons Stimme. Leise, merkwürdig schleppend. „Leon? Alles klar?“ Kais Alarm sprang sofort an. Leon war sonst fröhlich, locker, nicht so … seltsam. Da war etwas passiert und es würde ihn nicht wundern, wenn es etwas mit einem gewissen Burghardt zu tun hätte. „Ich ...“ Leon sprach nicht weiter, die Geräusche waren allerdings eindeutig genug.
    „Weinst du etwa?“, erkundigte sich Kai atemlos. „Nein! Natürlich nicht.“ Leons Stimme strafte ihn lügen. „Ich bin nur …“ Kai vernahm ein unterdrücktes Schnauben. „Kann ich vorbeikommen?“ Kais Mund öffnete sich zu einem spontanen Jubelschrei, den er gerade noch rechtzeitig abwürgte.
    „Natürlich, gerne, klar!“, sprudelte er hervor. „Soll ich dich abholen?“
    „Nein, ich komme mit dem Auto“, erklärte Leon. „Bis gleich.“ Er legte auf und gab Kai keine Gelegenheit mehr, seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Und nur weil ihn definitiv keiner sah, sprang er auf und hüpfte, Leons Namen jubelnd in die Luft werfend, ein paar Mal auf und ab.
    Leon kam. Zurück zu ihm.

 
31 Der letzte Schneefall
     
    Kai tigerte durch seine Wohnung und kam sich lächerlich vor. Da freute er sich darauf, dass Leon kam und war sich sicher, dass der Grund eben nicht wahnsinnig brennende Sehnsucht war. Er hatte am Telefon komisch geklungen. Hatte er geweint? Kai war sich plötzlich nicht mehr ganz sicher. Egal! Leon kam hierher und er konnte mit ihm reden, erklären, ihn berühren, ihn küssen, ihn … Stopp!  
    Abrupt blieb Kai stehen und gab sich selbst eine harmlose Ohrfeige. Denk nicht mal dran. Sei einfach freundlich zu ihm, wie immer, lass ihn machen. Leon bestimmt das Tempo und du kannst nur hoffen, dass die Richtung dieselbe ist.  
    Unruhig ging er in die Küche, öffnete seinen Kühlschrank und betrachtete den Inhalt. Vermutlich stand nichts davon auf Leons Wunschliste an oberster Stelle. Zu Kais Kühlschrank erhielt in der Regel nur Zutritt, was „Bio“ oder „gesund“ herausschrie und so fern von Fetten und Kalorien war, wie Neuseeland. Was nicht hieß, dass er nicht ab und an sündigte, gerade wenn er mit seinen Freunden unterwegs war. Sein normaler Speiseplan sah hingegen solche Verführungen nicht vor. Was also konnte er Leon anbieten?
    Nudeln sind immer gut. Kohlehydrate und dazu vielleicht etwas angebratenes Gemüse. Ja, wird funktionieren.
    Geschäftig machte sich Kai ans Werk, das lenkte ihn genügend ab. Gemüse kleinschneiden erforderte ein wenig Konzentration, wenn man dabei keine Gliedmaßen verlieren wollte, und hielt ihn von weiteren Grübeleien ab.
    Bevor er Leon getroffen, sich Hals über Kopf in diese dämliche Schneewehe gestürzt und anschließend auf die gleiche Weise verknallt hatte, war

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