Mecklenburger Winter
Handschuhe aus und begrüßte sie freundlich.
„Hallo ihr beiden, ich habe schon auf euch gewartet.“ Sie trat auf Leon zu und streckte ihre Hand aus. „Du musst Leon sein, vom dem mir Susanne schon so viel erzählt hat“, vermutete sie und schüttelte dessen Hand. „Dann bist du Kai, dieser Ausdauerfetischist? Ich bin Christel.“ Sie ergriff ebenfalls seine Hand. Ihr Händedruck war überraschend hart und Kai zuckte erstaunt zusammen. „Die Laufmasche“, konnte sich Leon nicht verkneifen und grinste breit.
„Ja, ich glaube, den Spitznamen hat Susanne auch mal erwähnt“, gab Christel lachend zu und schüttelte den Kopf.
„Also, wenn du mein Sohn wärst, würde ich dich erstmal ein wenig auffüttern. Kerl, an dir ist nichts dran, außer Sehnen und Knochen.“ Kai spannte sich an, wollte auffahren und brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie nicht Leon, sondern ihn meinte.
„Äh ...“, machte er verblüfft und fing einen belustigten Blick von Leon auf. Okay er war jetzt in einer besonders intensiven Trainingsphase, bald würden die Wettkämpfe beginnen und er achtete sehr darauf, kein unnötiges Gewicht mitzuschleppen.
„Als Sportler darf man kein Gramm Fett zu viel haben“, rechtfertigte er sich irritiert und wand sich nichtsdestotrotz unter ihrem prüfenden Blick. „Du hast eher ein paar Kilo zu wenig Fett an dir für einen erwachsenen Mann. Da ist ja nichts dran zum Anfassen, nur Haut und Knochen, wie ein Kleiderständer. Da holt man sich ja blaue Flecken beim Umarmen.“ Christel schlug ihm lächelnd energisch auf die Schulter. „Nun, Leon ist ja auch noch so ein dürres Hemd, aber der wird noch und ist ja auch Reiter, da sind die Muskeln schon an den richtigen Stellen. Kommt, ich zeige euch erstmal meine Pferde.“ Sie schnappte sich Leon am Arm und zog ihn mit. Er nickte Kai über die Schulter verschwörerisch zu, der ihnen ein wenig perplex folgte.
Zu dünn? Nun, vermutlich war diese Frau noch keinem durchtrainierten Triathleten begegnet. Dennoch wurmte es ihn ein klein wenig. Er und kein ganzer Kerl? Wenn die wüsste, was für ein Kerl ich bin. Pah!
Christel führte sie vom Stall aus zu den Weiden und Kai stolperte ein wenig hilflos hinter ihnen hinterher, hörte immer weniger zu, als sich Christel in endlosen Abstammungsgeschichten erging und zu jedem Pferd seine volle Lebensgeschichte inklusive derer der Eltern und Großeltern von sich gab. Leon hingegen hörte gespannt zu, warf ab und an kluge Fragen ein, die Christel begeistert beantwortete. Die beiden verstanden sich eindeutig bestens. Pferdeleute untereinander. Kai kam sich fehlplatziert vor.
„So, bevor du mal einen echten Vollblutaraber unter dir haben darfst, wie wäre es vorher noch mit einem Stück Kuchen?“, schlug Christel vor, wandte sich gnädigerweise auch an Kai, der zustimmend nickte, und marschierte auch schon Richtung Haus vorweg.
„Der Reitplatz ist leider noch immer unter Wasser, da können wir nicht drauf reiten. Dieser verdammte Winter. Alles zugefroren, sogar die Wege draußen. Du bist ja ein erfahrener Reiter, Leon, da können wir auch gleich ins Gelände gehen“, erklärte sie, als sie den Flur betraten und sich ihrer Schuhe entledigten.
Es roch nach feuchtem Leder und Heu, und ein wildes Sammelsurium an Jacken und Stiefeln begrüßte sie. Auf Haltern an der Wand lagen zwei Sättel und der Flur war mit Pferdebildern geschmückt. Kaum anders als bei Leon daheim. Dieser schien sich auch sofort ganz wohlzufühlen. Seine Augen leuchteten und er wirkte alles andere als schüchtern oder gar zurückhaltend. Er war offensichtlich in seinem Element.
Christel lud sie in ihre geräumige, etwas chaotische Küche ein, und während sie auf den Wasserkocher warteten, waren Leon und sie mit der Betrachtung von Fotos und Pokalen in einem kleinen Nebenzimmer beschäftigt. Kai bekam am Rande mit, dass Christels Pferde einige Auszeichnungen bei Shows gewonnen hatten, und kümmerte sich seufzend selbst um den Kaffee, während die beiden Pferdeleute fachsimpelten.
„Kaffee ist fertig“, erklärte er schließlich, steckte den Kopf zur Tür hinein und fand die beiden auf dem Sofa mit den Nasen in einem Fotoalbum. „Oh wundervoll. Danke Kai, wir haben uns hier glatt festgeklönt.“ Christel sprang auf und winkte Leon und Kai ins Esszimmer, wo sie den Tisch bereits gedeckt hatte.
Oh verdammt, wer soll das denn alles essen? Hat sie eine ganze Armee erwartet? Kais Blick wanderte über mindestens drei Kuchen und
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