Mecklenburger Winter
wenn du einen Drahtesel für mich hast, dann komme ich mit“, erklärte er entschlossen. Noch ein skeptischer Blick von Christel, dann nickte sie zustimmend.
„Du kannst dich da im Badezimmer umziehen, Leon. Ich hole das Fahrrad für Kai und dann können wir los. Das schöne Wetter sollten wir richtig ausnutzen.“ Freudestrahlend rieb sie sich die Hände.
Während die beiden ihre Pferde von der Koppel holten, sie putzten und versuchten, aus schlammgrauen, weiße Pferde zu machen, kümmerte sich Kai um das Fahrrad. Es war soweit okay, lediglich die Reifen brauchten mehr Luft und einige Spinnen hatten ihre geliebte Heimat verloren, als Christel das Rad aus der Garage geholt hatte.
„Fertig?“, rief diese vom Stall her. Leon schwang sich gerade in den Sattel. Das Pferd wirkte recht klein unter ihm, seine langen Beine umschlossen es weiter als bei dem anderen Pferd. Der kleine Schimmel tänzelte hin und her, konnte es wohl gar nicht abwarten, doch soweit Kai es beurteilen konnte, hatte Leon ihn im Griff.
„Auf geht es.“ Kai schwang sich in den Sattel seines Drahtesels, der verdächtig ächzende Geräusche von sich gab.
Christel lenkte ihr dickes Pferdchen den Weg hinunter und Leons sprang munter von einer Seite zur anderen. Sein Übermut war geradezu ansteckend, allerdings hielt Kai lieber respektvoll Abstand, denn ab und an, winkte dessen Hinterhand ihm fröhlich zu. Leon schien es nicht zu stören, er lachte höchstens darüber. Bald bogen sie auf einen Feldweg ein und Christel ließ ihr Pferd antraben. Bockend folgte ihr Leons Pferd. Die hatten offenkundig ihren Spaß.
Kai kämpfte ein wenig mit dem ungewohnten Rad. Zu seinem Glück war es keins dieser ganz altmodischen Herrenfahrräder, sondern ein moderneres, wenngleich eben kein Sportrad. Die schleswigholsteinischen Wege, die Christel auswählte, bestanden zu seinem Glück überwiegend aus Asphalt mit Seitenrändern, auf denen die Pferde laufen konnten und aufgeschotterten Feldwegen, auf denen er ebenfalls gut vorankam.
Wenn die beiden ihre arabischen Wüstenrenner im Galopp losjagen ließen, dann kam er nicht so schnell hinterher. Allerdings waren die Strecken recht kurz, sodass er sie immer wieder rasch einholte. Gelegentlich musste er sich leider durch Schlamm und ein paar Pfützen quälen. Allerdings wog jede Strapaze den Anblick von Leons glücklichem Gesicht auf. Das Strahlen in seinen Augen überstrahlte sogar die gnädige Frühlingssonne, die die Pfützen und die braune Erde der Felder dampfen ließ, neckische grüne Grasspitzen kitzelte und die Vögel zu jubilierenden Oden an den Frühling animierte.
Auch Kai war nach Jubilieren zumute. Endlich wurde es wirklich Frühling. Kein Eis, kein Schnee und kein trauriger, verzweifelter, schüchterner Leon mehr. Dieser flachste fröhlich mit Christel, zog zwischendurch Kai auf, lachte sehr oft, schien den Tag in vollen Zügen zu genießen und wirkte regelrecht aufgekratzt. Er und Christel schmiedeten schon wilde Pläne für kommende Wochenenden, als sie den Hof wieder erreichten.
„Ich muss aber erst mit meinem Vater klären, ob es okay ist, wenn ich herkomme“, vernahm Kai Leon, nachdem er das Fahrrad in die Garage zurückgebracht hatte und versucht war, dem Drahtesel abschließend einen anerkennenden Klaps zu geben, wie er es bei Leon und dessen Pferd beobachtet hatte. Vermutlich beäugten ihn gerade unzählige Spinnen, die sich langsam wieder hervorwagten und über ihr missbrauchtes Zuhause jammerten.
Tief sog er die frische Luft ein. Die Sonne stand schon tief, bald würde es dunkel werden. Kai fühlte sich rundum wohl und erst recht, wenn er an die weiteren Pläne für heute Abend dachte. Leons Einstieg in das schwule Nachtleben Hamburgs. Sie beide würden die Stadt erobern.
„Natürlich“, pflichtete Christel Leon gerade bei. „Frag ihn einfach. Ich kann dich auch vom Bahnhof abholen, wenn du nicht mit dem Auto fahren willst und natürlich kannst du hier übernachten. Mein Sohn studiert in Leipzig und ist nur noch in den Semesterferien da. Sein Zimmer ist also frei.“
Sie verabschiedeten sich bald darauf von Christel, die ihnen eifrig hinterherwinkte, bis sie außer Sicht waren. Leon lächelte versonnen, grinste Kai zwischendurch glücklich an und verpasste ihm irgendwann einen freundschaftlichen Stoß.
„Das war so genial. Der Ben ist wirklich ganz anders, als meine Bella. Viel schneller und wendiger und er weiß manchmal schon im Voraus, was ich von ihm will. Okay, dressurmäßig
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