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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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geschminkt.
    Explodierter Farbkasten, nannte Kai bei sich ihren Versuch, die männlich herben Züge in etwas entfernt Frauliches zu verwandeln, ohne dabei allerdings offenbar essentielle Grundkenntnisse geheimer weiblicher Schminkgeheimnisse zu besitzen. Viel von allem, ist auf jeden Fall richtig. Eindeutig zu viel des Guten.
    Kein Wunder, dass Leon gerade an seinem mecklenburgisch-ländlichen Verstand zweifelte. Seine Augen wurden immer größer während er versuchte zu starren, ohne zu starren.
    Zugegeben, diese Gruppe dort war wirklich ein wenig abgefahren. Die beiden Muskelpakete gingen zudem Arm in Arm zu einem Tisch, küssten sich laut schmatzend und begrüßten lautstark alle Anwesenden.
    „Hey Phily, Georgy, hier sind wir!“, antwortete aus einer anderen Ecke ein junger Mann, der aufsprang und ihnen entgegen eilte. Dessen Outfit war zwar nicht ganz so schräg, wie das der Transvestiten, jedoch hatte es eindeutig auch die Kategorie: männlich-sittsam verlassen. Seine enge Röhrenjeans verursachte Kai solidarisch Schmerzen an bestimmten Stellen, und wenn er sich Leons verkniffenes Gesicht ansah, dachte der wohl gerade das Gleiche.
    Der junge Mann trug eine hellgelbe Bluse, deren Knöpfe golden glitzerten, hatte einen gelungenen Kajalstrich, der seine Augen wundervoll betonte, diversen Schmuck und Schuhe mit viel zu hohen Absätzen, mit denen er einen merkwürdig schaukelnden Gang entwickelte.
    „Gott, solche Absätze würden mich todsicher umbringen“, raunte Susanne von der Seite und verbarg ihr Grinsen gekonnt. Leon lächelte zaghaft, konnte den Blick jedoch nicht abwenden.
    „Ricky! Tommy!“, rief der breitschultrige Hüne mit erstaunlich heller Stimme, löste sich von seinem Partner und eilte auf den jungen Mann zu. Wahrhaftig, der Boden bebte, als er vorbeiging. Kais Blick blieb an dem jungen Mann hängen, der mit Mister Stöckelschuh an einem Tisch gesessen hatte. Dessen Gesicht verzog sich und er verdrehte genervt die Augen, doch es schien eher obligatorisch zu sein, denn er lächelte und winkte den anderen freundlich zu.
    Sein Gesicht war verhältnismäßig dunkel, wirkte wettergegerbt und wies viel zu viele tiefe Linien für sein junges Alter auf. Er war relativ kräftig gebaut und einfach gekleidet mit einer Jeans und weißem T-Shirt. Ein dezenter Bartschatten ließ ihn attraktiv aussehen.
    Nicht vergleichbar mit Leons sexy Drei-Tage-Bart, befand Kai, aber offensichtlich hatte Bartschatten seit Neuestem eine recht anziehende Wirkung auf ihn.
    Der Hüne zog den jungen Mann in seine Arme, hob ihn lässig vom Boden hoch und begrüßte ihn sehr herzlich. Unwillkürlich wartete Kai mit angehaltenem Atem auf das Geräusch knackender Knochen, welches jedoch ausblieb.
    Donnerwetter, wirklich ein Schrank von Mann. Nein, eine ganze Schrankwand.
    „Na, bei dem würde wohl nie im Leben jemand vermuten, dass er schwul ist“, raunte Kai Leon zu. „Krass“, brachte Leon heraus und grinste zurück. „Die sind alle hier so ...“ Er rang nach Worten und zuckte hilflos die Schultern. „Liebe hat so viele Gesichter, wie es Menschen gibt“, meinte Susanne lächelnd. „Man sollte doch einfach stolz darauf sein können, was und wer man ist und sich nicht verbergen müssen, weil man der gesetzten Norm nicht genügt.“
    Leon nickte lächelnd, wandte jedoch ein: „Naja, bei uns auf dem Dorf schauen die dich ja schon schräg an, wenn du die Haare zu lang trägst.“
    „Mecklenburg halt“, brummte Dirk von der Seite und schmunzelte. „Ein Politiker hat doch mal gesagt: Nach Mecklenburg käme alles 50 Jahre später.“ Kai lachte, den Spruch hatte er schon oft gehört und korrigierte: „Er hat damit allerdings auf die Frage geantwortet, was er tun würde, wenn morgen ein Krieg ausbrechen würde, nicht, wann die Regenbogenfarben auch in den Landesfarben McPoms vertreten sein werden.“
    „Rot, gelb und blau sind ja schon drin“, konterte Leon prompt, über dessen Lockerheit Kai heute nur staunen konnte. Die ausgelassene Stimmung des Vormittags hatte sich gehalten. Leon redete viel mehr als sonst, lachte und scherzte, kam mit überraschender Schlagfertigkeit daher, sodass Kai ihn ein paar Mal verblüfft angestarrt hatte. Dieser Leon ein anderer, ein lustiger junger Mann und noch viel begehrenswerter, als der schüchterne Schneehase, den er kennengelernt hatte.
    „Dann malen wir heimlich über Nacht die fehlenden rein“, schlug Susanne vor. „Wollt ihr noch was haben? Der nette türkische Kellner schaut

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