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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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verschränkte die Arme und überlegte, ob er sie unterbrechen sollte. Es interessierte ihn nicht, wie toll ihr Ehemann war. Als Vater hatte er kläglich versagt.
    Hart schluckte Anneliese und fuhr mit leiserer Stimme fort: „Dann war da dieses Erntefest ...“ Kai runzelte die Stirn und horchte auf. „Burghardts bester Jugendfreund trat dort als Sänger auf und er wollte unbedingt, dass er mich kennenlernt. Er hat regelrecht mit mir angegeben. Er war so stolz“, erklärte sie mit einem feinen Lächeln. „Es … ich ...“ Sie wandte den Blick ab.
    In Kai begann eine unangenehme Alarmglocke zu schrillen, kroch eine vage Vermutung wie eine Schlange aus seinem Magen durch die Kehle nach oben.
    „Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Eigentlich war ich glücklich, aber er war so … charmant und zuvorkommend. Er kam öfter zu Besuch und wir gingen abends zu dritt tanzen. Er war doch Burghardts Freund.“ Plötzlich schluchzte sie auf. „Es war falsch, ich weiß es, aber er war so anders, wenn Burghardt nicht dabei war, dann … dann ...“ Sie schlug die Hände erneut vors Gesicht und hatte Kais volle Aufmerksamkeit, der mehr und mehr erahnte, welche Geschichte sich hier verborgen hielt.
    „Verzeihen Sie, aber ich habe noch nie jemandem davon erzählt“, brach es plötzlich aus ihr hervor. „Gott, was müssen Sie jetzt von mir denken? Ich verstehe es selbst nicht mehr, es passierte einfach. Er sah gut aus, versprach mir so viel, ein sorgloses Leben in Berlin und er war so unglaublich zärtlich und ...“ Kais Kehle krampfte sich zu. Er konnte kaum noch still sitzen. Scheiße.  
    „Ich bin mitgegangen, habe meinen Mann und meinen zweijährigen Sohn im Stich gelassen“, erklärte Anneliese mit gefasster Stimme, in der sich Selbstverachtung verbarg. „Für das Versprechen von einem leichteren Leben, einer anderen Zukunft.“ Ihre Lippen bebten. „Eine Lüge. Alles eine Lüge. Und ich erkannte es zu spät.“ Seufzend rieb sie sich die Stirn. „Als Josef es erfuhr, zeigte er sein wahres Gesicht.“ Tränen perlten aus ihren Augen und Kai musste unwillkürlich schlucken, seine Hand krampfte sich um die Tasse. „Ich war so verzweifelt. Ich konnte doch nicht zurückgehen, nicht mit dem Kind in mir und niemand da und … Oh Gott, es war alles fort, ich hatte mir alles zerstört und den einzigen Mann verloren, der mich wirklich liebte.“
    Kai saß wie erstarrt, lauschte ihren Worten und ließ seinen Verstand das Bild dazu malen. Das Mitleid passte ihm nicht, aber es wob seine Farben ein.
    „Wissen Sie, bei uns auf dem Land da … Heute ist das vielleicht anders, aber eine Frau alleine und mit Kind … Ich wusste keinen Ausweg, dachte schon an Selbstmord und dann war Burghardt da, stand einfach so vor der Tür. Er hatte einen Anruf bekommen, von seinem angeblichen Freund. Es war alles … Absicht, Josef hatte das geplant, er wollte Burghardt verletzen, ihn bloßstellen und ihm eins auswischen.“ Sie rang nach Atem und ihre Worte stolperten so schnell aus ihrem Mund, dass Kai kaum folgen konnte. Jahrelanger Ballast der Seele, losgetreten, polterte haltlos herab, der mürbe Mörtel der Selbstbeherrschung bröckelte.
    „Josef hat mir ins Gesicht gelacht und gesagt, was ich für ihn bin und dass er … sonst nie … mit Frauen ...“ Der Rest ging in Weinen unter. Kais Herz krampfte sich zusammen. Kälte kroch ihm durch die Fingerspitzen, über die Arme und überzog diese mit Gänsehaut. Sein Verstand arbeitete wie verrückt, rückte jedes Detail an den richtigen Platz und das Gesamtbild ließ ihn schaudern.
    „Ich wusste nichts davon, Burghardt hatte mir nie davon erzählt, ich habe es nicht einmal geahnt. Oh Gott, ich war so unglaublich dumm. Und Burghardt … er hat die Adresse ausfindig gemacht, er ist wegen mir gekommen, weil er mich noch immer liebte und er ...“ Sie schluchzte laut auf und konnte beinahe eine Minute lang nicht weitersprechen.
    „Niemand hat je davon erfahren. Leonard wurde geboren und wuchs als Lenkowski auf. Begreifen Sie überhaupt, was mein Mann für mich und ihn getan hat? Nicht nur, dass er mich wieder aufgenommen hat, er hat auch Leonard als sein Kind angenommen, ihm einen ehrlichen Namen gegeben, ein normales Zuhause.“
    Kai wollte widersprechen, die Worte lagen schwer auf der Zunge, die dieses Mal jedoch keins entließ. Zu groß war der Zwiespalt zwischen Abscheu und Verständnis. Oh doch, er begriff, was Burghardt für seine Frau getan hatte, er verstand es sehr wohl. Er

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