Mecklenburger Winter
meinte Kai augenzwinkernd und zog Leon an der Schulter zurück in den Übungsraum. Zu seiner Freude kam Leon widerstandslos mit.
„Okay, dann probiere ich es mal damit“, willigte er ein.
14 Mildere Temperaturen
Unglaublicherweise schien der Winter sich ernsthaft zu überlegen, ob er nicht doch mal weichen wollte. Immerhin ließ er sich überreden, die Temperaturen ein wenig über minus fünfzehn Grad anzuheben. Geschneit hatte es seit drei Tagen auch nicht mehr und Kai wagte langsam zu hoffen, dass diese elendige Eiszeit wirklich vorbei gehen würde.
Auf seinen Trainingsstrecken bildete sich in den Fahrspuren der Forstautos immer häufiger Eis und daher war er meist lieber Straße gelaufen. Wenn die Sonne schien, verzauberte sie das blendende Weiß in Milliarden funkelnde Diamanten. Die riesigen Felder und schneebedeckten Wälder wirkten wie die Landschaft aus dem Studio eines Fantasyfilms, unwirklich und wunderschön. Frische, kalte, nicht mehr schneidende Luft füllte Kais Lungen und sein Training verlief endlich wunschgemäß. Sein Körper schien auf die milderen Temperaturen ebenso gut zu reagieren, wie seine Psyche.
Dass er Leon regelmäßiger sah, trug natürlich auch zu seinem Wohlbefinden bei. Vier Wochen lang war Leon jeden Donnerstag zum Training gekommen und sie hatten zwischendurch sogar ab und an telefoniert. Unter Kais Anweisung arbeitete Leon vor allem an Geräten, die seinen Muskeln entsprachen und Kai war begeistert, wie schnell sich dessen Ausdauer verbesserte. Fast wagte er zu hoffen, dass er ihn vielleicht mal zum gemeinsamen Laufen überreden konnte, traute sich allerdings noch nicht, ihn danach zu fragen.
Beim letzten Training hatte Leon hingegen ein wenig abwesend gewirkt. Abends ärgerte sich Kai darüber, dass er sich nicht erkundigt hatte, ob ihn etwas bedrückte. Leon war nach dem Training schnell verschwunden und Kai hatte keine Chance zu einem Gespräch gehabt. Seither hatte er sich aber auch nicht gemeldet, wie die Wochen zuvor. Meistens hatten sie sonntags und mittwochs telefoniert, meistens nur gesmst. Kai wartete die folgende Woche vergeblich auf eine Antwort.
Während er lief, musste er dauernd daran denken, warum Leon sich nicht gemeldet hatte. Nur wenn er in seinem Laden arbeitete oder im Studio konnte er ihn kurzfristig vergessen. Dienstagabend schickte er ihm erneut eine SMS, erhielt jedoch keine Antwort, und als er Mittwochmorgen versuchte, Leon anzurufen, bekam er nur die Nachricht, dass er nicht erreichbar sei. Eine Mailbox war nicht angeschlossen. Wütend knallte Kai sein Handy auf den Küchentisch.
Verfluchte Scheiße, warum geht mir dieser süße Blondschopf einfach nicht aus dem Kopf? Jetzt habe ich Entzugserscheinungen, nur weil er mal ein paar Tage nicht mit mir kommuniziert. Kai kam sich reichlich lächerlich vor.
Morgen würde er Leon im Studio treffen, dann würde sich schon alles klären. Vielleicht hatte dieser auch einfach nur genug von Kais Anrufen, davon, dass er ihm auf die Pelle gerückt war und ihn seither ständig kontaktierte. Bestimmt hatte Leon andere Freunde, die ihm wichtiger waren, als ein sportbesessener Fitnessfreak, der zudem noch schwul war.
Kais Frust war groß genug, dass er sich überlegte, am kommenden Wochenende nach Hamburg zu fahren und ein paar seiner Freunde zu besuchen. Ganz bestimmt konnte er eine nette Nacht verbringen, die ihn von dem Anblick eines anderen nackten Oberkörpers ablenken würde.
Am Donnerstag war Kai den ganzen Tag unruhig und Angie, die seine angespannte Stimmung spürte, warf ihm besorgte Blicke zu. Als Leon eine halbe Stunde überfällig war, hielt Kai es nicht mehr im Fitnessraum aus und ging nach vorne an die Rezeption.
„Gab es heute Absagen?“, fragte er bemüht neutral. Angie sah auf und ihr Lächeln erlosch sofort, als sie seinen ernsten Ausdruck bemerkte. Mist! Es wollte ihm kein lockeres, unverbindliches Grinsen gelingen. „Er hat nicht abgesagt“, antwortete sie mitleidig. „Vielleicht hat er es vergessen?“ Angie lächelte hoffnungsvoll und vermutete: „Oder es ist ihm was dazwischen gekommen?“
Kai brummte Unverständliches und war ungerechterweise wütend auf Angie, die ja nur nett sein wollte. Ihm war schon bewusst, wie er gerade wirkte: wie ein liebeskranker Teenager.
„Alles okay?“, fragte Angie besorgt nach, doch Kai wandte sich bereits ab. Er wollte jetzt nicht darüber reden.
Vergebens hoffte er, Leon würde noch auftauchen: Er kam nicht. Wiederholt zog Kai sein
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