Mecklenburger Winter
trainieren und ihm beim Hof zu helfen.“
Kais Fäuste krampften sich um das Telefon. Dieses Pferd bedeutete Leon viel, das hatte er schon verstanden. Mit dieser Stute war er erfolgreich Turniere geritten. Arsch , formten Kais Lippen tonlos. Wiedereinmal wurde ihm bewusst, wie jung Leon war. Wie abhängig.
Minutenlang schwiegen sie und Kai überlegte fieberhaft, was er noch sagen könnte, ohne zu viel von seinen Gefühlen offen zu legen, und um Leon nicht zu verschrecken oder ihn zu brüskieren.
„Du kannst jederzeit vorbeikommen, okay? Egal ob im Studio oder … zu mir“, sagte er schließlich. Hoffentlich lehnte er sich damit nicht zu weit aus dem Fenster. Kai hatte das dringende Bedürfnis, Leon eine sichere Anlaufstelle zu geben. Scheinbar hatte er zuhause das eine oder andere Problem. Wie schön wäre es, wenn er zu ihm kommen würde und sich bei ihm aussprechen konnte. Er würde ihn in den Arm nehmen, ihn sanft küssen, durch seine Haare streichen und alles wäre wieder in Ordnung. Kai seufzte. Schöne Fantasie.
„Ich rufe dich einfach jeden Mittwochabend auf dem Handy an. Wenn du mit mir reden willst, gehst du ran, sonst lass es einfach klingeln, okay?“, bot Kai spontan an. „Dann hast du auch kein Problem, mich zu erreichen, wenn dein Guthaben mal wieder alle sein sollte.“ Wenn das nicht bloß eine Ausrede war.
Noch immer antwortete Leon nicht und Kai grübelte. Am liebsten wäre er ins Auto gestiegen und zu ihm gefahren.
„Du bist echt klasse“, seufzte Leon. Kai verzog lächelnd sein Gesicht, spürte die Wärme von Leons Worten in sich wachsen, sein Herz tief und schmerzhaft berühren. Selig grinste er. Was für ein Glück, dass ihn Leon nicht derart dumm dämlich grinsen sah.
„Ich weiß“, antwortete er schlicht und fügte lapidar hinzu: „Das sagen meine Bettpartner auch immer ... hinterher.“ Er vernahm ein deutliches Glucksen. „Oh Mann Kai. Du bist ...“
„Genial, ich weiß. Danke“, erklärte Kai und verabschiedete sich schmunzelnd. Wenn du erst in meinem Bett liegen würdest … Träume.
15 Ab Null Grad ist Frühling
„Ich hasse diesen Winter!“
Angie verdrehte die Augen und ignorierte Kai, der diesen Satz in der letzten halben Stunde bestimmt zehn Mal wiederholt hatte.
Es war Samstag kurz vor Feierabend und sie räumten gemeinsam auf, wozu leider auch gehörte, dass sie die Treppe und den Eingang unten säubern mussten. Die Kunden trugen natürlich Schnee und Dreck hinein. Der Schnee taute und hinterließ eklige Pfützen. Wenn diese trockneten, waren sie kaum noch aus dem Teppich zu bekommen und die Putzfrau kam erst am Montag wieder.
„Irgendwann ist auch der mal vorüber.“ Angie wrang den Wischlappen aus. „Dann folgt ein wunderschöner Frühling mit Sonne, Wärme und heißen Küssen im frischen Gras. Oder auch mehr.“ Kai schnaubte, blickte sie mürrisch an und seufzte lächelnd: „Deine Vorstellung von Frühling gefällt mir. Vor allem der letzte Part.“
„Wie sind die Fortschritte bei deinem Schnuckelchen?“, erkundigte sich Angie prompt. Leon war nach ihrem letzten Telefonat noch ein paar Mal erschienen und stets recht wortkarg geblieben, obwohl er verbissen trainierte. Seufzend richtete er sich auf und rollte das Kabel des Staubsaugers auf. „Gar keine“, brummte er missmutig. „Er kommt nicht mehr und reagiert auch nicht auf meine SMS.“ In der letzten SMS hatte dieser den Termin abgesagt, weil er vom Hof nicht weg kam und versprochen, er würde sich melden, wenn er wieder Zeit hätte. Seit drei Wochen hatte Kai nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.
„Oh“, machte Angie betroffen. „Das erklärt deine schlechte Laune nur zu gut.“ Kai schaute hoch und runzelte die Stirn: „Schlechte Laune?“
„Mann, Kai! Seit Wochen schleichst du durch die Gegend mit dieser Leidensmiene. Und glaub mir, ich weiß, dass es nicht nur an diesem endlosen Winter liegt.“ Sie musterte ihn kritisch. „Du siehst so aus, als ob du mal dringend wieder richtigen Sex haben müsstest.“
Kai verzog den Mund gefrustet. Damit könnte sie sogar Recht haben. Die Straßen waren zugeschneit und zu glatt gewesen, sodass er sich nicht nach Hamburg gewagt hatte, um mal auf andere Gedanken zu kommen und sich zu amüsieren. Stattdessen hing er jeden Abend vor dem Computer, durchforstete seine Foren, chatete mit Läuferkumpels, betrachtete Leons Bilder und träumte.
„Können wir nicht mal für einen Tag die Körper tauschen? Damit könnte ich meine
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