Mecklenburger Winter
versetzte er Kais Herz einem erneuten heftigen Tritt. „Ich nicht“, rutschte es diesem entschieden raus. Sein neues Sicherheitsschloss schaffte es gerade noch rechtzeitig die Worte: „Ich würde allemal lieber dich flachlegen, als so ein vollbusiges Dummchen“, in ein unbestimmtes Brummen umzuwandeln.
Leon schien dennoch etwas zu ahnen, denn sein Blick ruhte ein wenig länger auf Kai. Entschlossen blätterte er weiter. Weitere Bilder zeigten die Freunde bei verschiedenen Wettkämpfen. Basti im Motorcross, Kai und Lars bei Marathons, Radrennen und Triathlons.
„Feuerdirk fährt gerne Mountainbike“, erklärte Kai, zeigte ihm die Fotos. „Er kommt übrigens in zwei Wochen wieder nach Deutschland zurück. Dann machen wir einen echten Männerabend“, erzählte er lächelnd. „Susanne zählen wir einfach mal als Mann mit, okay?“ Erwartungsfreudig sah Kai Leon an. Dieser blinzelte überrascht. „Soll … darf ich da wieder dabei sein?“, fragte er zögernd nach. „Ist nur für echte Kerle und knallharte Typen, also echte Männer“, meinte Kai grinsend und fügte sofort gönnerhaft hinzu: „Klar doch“ Leon schmunzelte und knuffte Kai gänzlich unerwartet mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Verarsch mich nicht“, drohte er. „Würde ich nie wagen“, stieß Kai lachend hervor, hob gespielt ängstlich die Arme. „Nachher verprügelst du mich noch.“ Leon grinste und endlich hatte Kai das Gefühl, sie wären erfolgreich zu ihrem vorigen Umgang miteinander zurückgekehrt. Beinahe zumindest. Wie eben zwei gute Freunde miteinander umgingen, von denen der eine unsterblich in den anderen verliebt war und diesem leider nichts davon zeigen durfte.
Beschissene Situation.
22 Unter der Schneedecke
Sie alberten noch eine ganze Weile herum, bis Leon anfing, immer häufiger auf die Uhr zu sehen. Kai versuchte es zunächst zu ignorieren, als Leon jedoch zunehmend schweigsamer wurde, seufzte er ergeben: „Komm, Leon. Ich fürchte, wir müssen unser intimes Date ein anderes Mal fortführen.“ Er erhob sich. „Deine Mutter wird sich sonst Sorgen machen.“ Leons kaum hörbares Seufzen war ein Geräusch, welches Kais Herz einen weiteren Stich versetzte.
Rasch sammelte Leon die Joghurtbecher ein und eilte in die Küche. Schweren Herzens ging Kai in den Flur voraus. Seine Schritte waren seltsam schleppend. Er wollte nicht, dass Leon ging. Bald schon würde er wieder alleine sein.
Seufzend zog er sich seine warme Jacke an. Verdammt, diese Nacht würde er bestimmt nicht viel schlafen. Seine Träume würden erfüllt sein von Leon in jeder erdenklichen Stellung. Blöde, lebhafte Fantasie! Sehnsucht war grausam.
Schweigend zog sich Leon an und folgte Kai hinaus in die winterliche Welt. Der Schnee umhüllte sie augenblicklich mit seinem, Lärm, Licht und Wärme schluckenden, Mantel. Aus dem dunklen Himmel fielen die schweren Flocken wie heimtückische Angreifer auf die Erde, täuschend harmlos in ihrer Leichtigkeit. Endlos, unaufhaltsam. Kai stöhnte, als er sein eingeschneites Auto betrachtete. Viel war davon nicht mehr zu sehen.
„Ich hasse Winter. Ich hasse Schnee. Hörst du da oben?“, proklamierte er gegen den nächtlichen Himmel. „Es reicht echt.“ Neben ihm gab Leon ein unterdrückt glucksendes Lachen von sich. „Davon wird es auch nicht besser“, brummte er. „Irgendwann wird es auch wieder Frühling.“ Kai stieß einen Fluch aus und suchte unter der Schneeschicht nach dem Türschloss.
Zehn Minuten später hatten sie das Auto soweit vom Schnee befreit, dass es wieder als solches erkennbar war. Kai stellte die Heizung auf volle Leistung, als er langsam rückwärts aus der Ausfahrt fuhr. Leon kuschelte sich auf dem Beifahrersitz zusammen. Schweigend fuhren sie durch die dunkle Winterlandschaft. Kai lagen so viele Worte auf der Zunge. Sein neues Sicherheitsschloss machte jedoch einen guten Job und so kam ihm nichts Blödes mehr ungefragt über die Lippen gerutscht. Unwillkürlich strich sich Kai mit den Fingern darüber. Der „Ganz-Okay“-Kuss brannte noch darauf, schrie lautstark nach einer Wiederholung.
„War total klasse, heute bei dir“, gab Leon hastig und in den Schal genuschelt von sich. Kai warf ihm einen überraschten Blick zu und lächelte. „Mir hat es auch gefallen“, antwortete er, korrigierte sogleich schmunzelnd: „Bis auf die eine oder andere Sache. Zum Beispiel, dass du meinen Ruf als unwiderstehlicher Küsser zunichtegemacht hast und ich jetzt psychiatrische Betreuung
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