Mecklenburger Winter
verwandelte sich sofort in Ernst, als er in die Augen blickte. Angst stand darin, blanke Panik und eine so tiefe Sehnsucht, dass Kai spontan nach seiner Hand griff und sie fest drückte.
„Du … du sagst es doch keinem?“, brachte Leon sehr leise hervor. Verdammt! Denkt er echt, ich renne damit zu seinem Arsch von Vater und binde dem auf die Nase, dass sein Sohn es anregend findet, von einem Kerl wie mir geküsst zu werden? Oder ich würde all meine Freunde anrufen und es freudestrahlend heraus posaunen? Hat er echt so einen schlechten Eindruck von mir? Mist.
Kai schüttelte entschlossen den Kopf, lächelte Leon an. Ein zärtliches, verständnisvolles Lächeln. „Warum sollte ich?“, meinte er. „Das ist etwas zwischen dir und mir und geht niemand etwas an.“ Erleichtert ließ Leon die Luft entweichen und erwiderte den Händedruck. Kai wurde heiß und kalt. Leons Hand fühlte sich so gut, absolut richtig in seiner an. Hastig ließ er sie los, als sein Körper ein Eigenleben entwickelte und Leon zu einem mehr überzeugenden Kuss heranziehen wollte.
„Ich werde dich einfach ganz klammheimlich verführen müssen“, schlug Kai schmunzelnd vor, bemüht, sein scherzhaftes Spiel fortzusetzen. Leon schenkte ihm ein weiteres Lächeln. Es wirkte ein wenig gerührt, vielleicht auch geschmeichelt, fand Kai. Hoffte er.
„Du bist aber nicht sauer ...“, fing Leon vorsichtig an, biss sich in die Unterlippe und sein Blick huschte unruhig über Kais Gesicht. „Also wenn … naja wenn ich nicht ...“ Verlegen brach er ab, zupfte sich seinen Schal zurecht. Kai bekam keine Gelegenheit zu antworten, denn Leon sprudelte hervor: „Weil … ich will dich nicht als Freund verlieren. Ich meine, nur eben ... als Freund. Also mit dem ich reden kann und einfach mal zusammen sein und … Eben so wie jetzt.“ Hoffnungsvoll blickte er Kai an, wirkte jung, zerbrechlich, was er - verdammt nochmal - auch war. Just in dem Moment wurde Kai klar, wie viel Leon gerade von sich preisgegeben, wie weit er sich ihm ausgeliefert hatte. Dies war sein größtes Geheimnis, seine allergrößte Angst, und er offenbarte sich ihm. Kai fühlte die warme Erkenntnis in seinen Adern rauschen, sein Herz beflügeln, ließ ihn sich richtig gut fühlen.
„Keine Angst“, versicherte er, nahm selbst den sanften Tonfall in der Stimme wahr. „Ich werde immer dein Freund sein, egal, was passiert.“ Darauf antwortete Leon nicht mehr, aber Kai wusste um das warme Lächeln, welches dessen Lippen umspielte und es war ihm Antwort genug.
Vielleicht ist dieser unmögliche Ultra doch zu schaffen. Scheint so, als ob du aus dem anaeroben Anfang raus bist und nun im aeroben Bereich läufst. Jetzt wird es leichter, flüssiger. Kai musste schmunzeln bei den Parallelen zu seinem Sport. Aber es passte einfach. Er war im Steady-State. Gerade schien alles möglich, die vor ihm liegende Distanz in voller Länge überwindbar.
Schweigend absolvierten sie das letzte Stück und Kai hielt vor dem Hof, außer Sicht des Wohnhauses. Tief seufzte Leon auf, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Auch Kai ließ sich im Sitz zurücksinken. Ihr Gespräch kreiste endlos in seinem Kopf, stürzte ihn in einen Strudel aus Glücksgefühlen und Bedenken.
„Würdest du vielleicht noch ... mitkommen?“, erkundigte sich Leon. Klar. Er hat Angst vor der Begegnung mit seinem Vater. „Natürlich“, versicherte Kai, schnallte sich sofort ab. Auf in den Kampf. Wenn der Typ eine blöde Bemerkung macht, dann … Ja, was? Er konnte ja wohl kaum Leons Vater vor dessen Augen eine pfeffern, so sehr er es auch wollte. Höchstens verbal. Nein, auch keine gute Idee.
Leon schlich zum Haus hinüber, warf immer wieder kurze Blicke zu Kai, der sich bemühte, aufrecht und selbstsicher zu wirken.
„Er wird dich schon nicht fressen“, scherzte er und lächelte zuverlässig. So recht schien Leon nicht davon überzeugt zu sein. „Wenn er die Zähne fletscht und zubeißt, beweise ich ihm, wie männlich ein Schwuler zuschlagen kann“, schlug Kai vor und verfluchte gleich darauf die Unzuverlässigkeit seines Sicherheitsschlosses. Leon verzog das Gesicht, wandte sich aber zu schnell ab, als dass Kai mehr erkennen konnte.
Verdammt. Es half nichts. Er trug nun mal wortwörtlich sein Herz auf der Zunge. Das hatte ihm schon früher Ärger eingebracht. Damals war das Kräfteverhältnis weit seltener zu seinen Gunsten gewesen. Man sollte beispielsweise einem Typ, der aussah wie Rambos jüngerer
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